Ich bin ja nicht wirklich ein Fan von textbasierten Adventures. Ich brauche normalerweise was für’s Auge. Spiele mit schöner und oder skurriler Grafik haben es leicht bei mir. Da kann das Spiel selbst noch so blöd sein, ich renne hin und her und schaue mir verzückt jedes Detail an. Deshalb war es für mich selbst überraschend, dass mich »Lifeline« so fasziniert hat.
Auf Empfehlung habe ich mir das Spiel auf‘s Smartphone gezogen und hatte auch keine großen Erwartungen, bzw. wusste eigentlich gar nicht, um was es genau geht. »Lifeline« ist auch nicht neu. Bereits im Mai 2015 erschien »Lifeline« und mittlerweile gibt es auch schon mehrere Nachfolger.
Das Spielprinzip ist schnell erklärt. Abgestürzt mit einem Raumschiff, gestrandet auf einem einsamen Planeten und als einziger Überlebender einer Forschungsmission nimmt Taylor mit mir Kontakt auf. Ich bin wohl die einzige, die er irgendwie über Funk erreichen konnte und das weckt bei mir sofort einen Beschützerinstinkt. Taylor berichtet mir in kurzen Textnachrichten, was er tut um sein Überleben zu sichern und ich kann mit knappen Antworten mehr oder weniger hilfreiche Tipps geben. Weil sich Taylor meist an meine Vorschläge hält, wird mir das Ganze bald unheimlich und es beschleicht mich langsam das Gefühl, daran schuld zu sein, wenn ihm was passiert. Ich muss mich dabei auf seine flapsigen Beschreibungen verlassen, denn etwas anderes habe ich ja nicht, an dem ich mich orientieren könnte.
Also begleite ich Taylor bei der Untersuchung des Raumschiffwracks, stapfe mit ihm über die unwirtliche Planetenoberfläche und rede ihm gut zu, wenn er mal wieder vor Schreck zusammenfährt. Alles passiert nahezu in Echtzeit, d.h. wenn Taylor sich auf’s Ohr haut, ist erst einmal für ein paar Stunden Funkstille.
Da ich ja keine Grafik habe, bleibt mir nur meine eigene Vorstellungskraft. Die ist aber völlig ausreichend, um ein mulmiges Gefühl zu erzeugen und ich habe manchmal das Gefühl, hilflos Taylors Schilderungen zu folgen, ohne wirklich eingreifen zu können. Das Gefühl verstärkt sich auch noch bei der Auswahl der Antworten. Hier werden nämlich immer nur zwei Möglichkeiten angeboten, obwohl ich zwischendurch intuitiv etwas ganz anderes vorgeschlagen hätte. Und so schwebt mein Finger manchmal einige Zeit über den zwei Buttons, unschlüssig, was ich nun antworten soll. Reite ich Taylor damit weiter ins Verderben oder bringe ich ihn einen Schritt näher an seine Rettung? Mit fortschreitender Story und sich überstürzender Ereignisse werden die Entscheidungen jedenfalls immer schwieriger, zumal Taylor dann teilweise doch etwas anderes macht, als ich ihm vorschlage.
»Lifeline« ist ein Spiel, das es fertig gebracht hat, mich alleine durch Textnachrichten zu fesseln und mich am Schluss etwas geschockt zurückzulassen, denn ich habe es nicht geschafft, Taylor zu retten. Das Gefühl, das dabei bei mir aufkam, habe ich eigentlich bisher nur in einem Spiel erlebt, nämlich in »Metro Last Light«, als sich Artjom am Ende des Spiels selbst in die Luft sprengt, um seine Leute zu schützen. Mit offenem Mund lese ich immer wieder die letzten Meldungen und kann es fast nicht glauben, dass die Verbindung zu meinem Protagonisten nun für immer abgebrochen ist.
Ich könnte jetzt das Spiel noch einmal beginnen oder an einem bestimmten Tag wieder aufsetzen, aber dann wäre es nicht mehr das Gleiche und die Eindrücke wären sicher nicht mehr so stark. Ich weiß auch nicht, ob es eine Möglichkeit gegeben hätte, ihn zu retten, wenn ich andere Entscheidungen getroffen hätte, und vielleicht will ich das im Moment auch gar nicht wissen. Bis ich »Lifeline« oder seine Nachfolger noch einmal anfasse, wird es wohl einige Zeit dauern.
Mein Fazit: Wer ein zwar einfach wirkendes, aber wirklich gut gemachtes und emotional fesselndes Spiel für iOS oder Android sucht, der sollte sich »Lifeline« einmal ansehen.