Ich robbe auf dem Bauch durch den heißen Wüstensand und leise pfeift der Wind durch die bizarren Felsformationen. Weit und breit ist außer einem einzelnen gegnerischen Soldat, der ahnungslos seine Runden dreht, niemand zu sehen. Böser Fehler, so alleine durch die Gegend zu spazieren. Hinter einem Felsen und ein paar staubigen Sandsäcken verborgen atme ich tief durch, hebe meine M1 Garand und linse durchs Visier. Mein Puls verlangsamt sich, ich halte den Atem an, ziele und drücke ab. In Zeitlupe sehe ich meine Kugel mit einem Pfeifen auf das ahnungslose Opfer zufliegen… dann einschlagen… Knochen splittern… Organe platzen… Blut spritzt in alle Himmelsrichtungen… ich höre knirschende und schmatzende Geräusche… OMG!
Eine X-Ray-Killcam zeigt mir in Zeitlupe detailliert mein „Werk“ und obwohl ich durch ein paar Trailer von »Sniper Elite 3« schon vorgewarnt war, ist mir hier beim ersten Mal die Spucke weggeblieben. Diese Szenen haben irgendwie etwas gruselig Faszinierendes und sind sicher nichts für zarte Gemüter. Obwohl ich die Animationen durch Knopfdruck beenden könnte, habe ich meistens wie hypnotisiert und mit weit aufgerissenen Augen auf den Monitor gestarrt. Wer denkt sich denn sowas aus?
Gute Stealth-Games gibt es ja nicht gerade wie Sand am Meer und wenn Ihr, so wie ich, auch gerne dieses Genre beackert, seid Ihr schnell mit dem Angebot durch. Deshalb hatte ich »Sniper Elite 3« auch sofort auf meiner To-Play-Liste stehen, als das Spiel Ende Juni angekündigt wurde. Auch dass ich hier zur Abwechslung mal einen Scharfschützen spielen darf, war für mich ein zusätzlicher Anreiz, mir das Spiel zu holen. »Sniper Elite 3« bietet Singleplayer, Multiplayer und Coop, hier ist für jeden Geschmack etwas dabei. Ich bevorzuge allerdings – wie fast immer – die Singleplayer-Variante. Lautlos mit dem Fernglas geeignete Wege auskundschaften, die Aktionen und Laufwege der gegnerischen Soldaten beobachten, ein paar lustige Fallen stellen und dann aus dem Verborgenen mit dem Scharfschützengewehr gezielt die Gegner ausknipsen, das ist wieder etwas ganz nach meinem Geschmack.
Wir schreiben das Jahr 1942. Der Zweite Weltkrieg tobt und Deutschland baut in Nordafrika eine Wunderwaffe um zum vernichtenden Schlag gegen die Alliierten auszuholen. Als Scharfschütze Karl Fairburne, einem Agenten des Office of Strategic Services, werde ich losgeschickt, die Pläne der Deutschen zu durchkreuzen und die Wunderwaffe, bei der es sich um einen Superpanzer handeln soll, zu zerstören. Das alles natürlich im Alleingang gegen das berühmte deutsche Afrikakorps… ha, ich bin wohl unbesiegbar, war ja sowieso klar. Soweit zur Story. Ein paar spärliche Informationen bekomme ich in den Missionen, aber die sind aber wirklich dürftig. Ich muss allerdings gestehen, dass ich die beiden ersten Teile von »Sniper Elite« nicht gespielt habe und vielleicht fehlen mir deshalb ein paar Details (vermutlich aber nicht).
Das Setting in der Wüste finde ich einfach genial und hebt sich angenehm von den Shootern ab, die ich in letzter Zeit gespielt habe. Keine kleinen Räume oder unübersichtliche Korridore engen die Bewegungsfreiheit ein. Hier habe ich Sand, Gebüsch, Felsen oder auch mal ein paar alte Ruinen und kleinere Gebäude durch die ich mich von Deckung zu Deckung bewegen kann. Jede Mission in »Sniper Elite 3« bietet mir eine andere grandiose Wüstenlandschaft. Mancher mag ja vielleicht an der Grafik herummäkeln, ich finde sie aber durchaus gelungen und habe teilweise schon den Staubgeruch in der Nase, wenn neben mir wieder feiner Sand von einem Felsen rieselt. Man sieht die Hitze förmlich flimmern und die einzelnen Szenarien werden immer durch eine hervorragende Geräuschkulisse untermalt, mal leises Grillenzirpen oder eben mal bombastischer Gefechtslärm. Ich konnte mich der ungeheuer dichten Atmosphäre jedenfalls kaum entziehen.
Meine erste Erkenntnis nach zwei Missionen: Leises Vorgehen ist auf jeden Fall zielführender, als sich aufzuführen wie die wilde Sau. Die Gegner sind unverschämt aufmerksam und fangen schon an zu suchen, wenn ich gefühlt nur den kleinen Zeh um die Ecke strecke oder zwei Schritte etwas lauter unterwegs bin. Noch so leise Geräusche oder Sichtkontakt sind hier einfach tödlich. Da heißt es für mich dann die Gegend zuerst mit dem Fernglas gut absuchen, bevor ich mich aus der sicheren Deckung wage.
Mein Scharfschützengewehr hat blöderweise auch keinen Schalldämpfer, deshalb sabotiere ich hier und da irgendwelche Generatoren oder andere laute Geräte, die danach durch empörtes Krachen und Fehlzündungen meine Schüsse übertönen. Zwar kann ich durch geschickten Stellungswechsel meine Verfolger relativ leicht abschütteln, was auch manchmal bitter nötig ist, das fühlt sich aber etwas unrealistisch an. Oft greife ich da lieber auf das Messer oder eine Nahkampfwaffe mit Schalldämpfer zurück, um wirklich lautlos vorzugehen.
Der Nervenkitzel wird ab dem dritten Schwierigkeitsgrad „Sniper Elite“ noch extrem verstärkt. Ich glaube, hier können einen die Gegner sogar am Geruch noch erkennen. Wenn ich als „Scharfschütze“ einen alarmierten Gegner z.B. noch im Nahkampf niederstechen und mich so einigermaßen glimpflich aus der Affäre ziehen konnte, geht das jetzt kaum mehr. »Sniper Elite 3« fordert mich hier zu einer noch genaueren Planung meiner Vorgehensweise heraus, um nicht ständig den letzten Speicherpunkt laden zu müssen, weil ich mich wieder blöd angestellt habe. Das geduldige Planen ist sicherlich Geschmacksache, aber ich liebe solche Spiele. Stumpfsinniges Geballer ist hier einfach nicht angesagt und auch nicht gewollt. Wenn Ihr so etwas bevorzugt, solltet Ihr von »Sniper Elite 3« lieber die Finger lassen.
Der schön durchdachte Stealth-Anteil tröstet mich dann auch ein wenig darüber hinweg, dass die acht Missionen leider alle in etwa gleich ablaufen. Etwas mehr Phantasie, auch was die Bossgegner angeht, hätte dem Spiel hier durchaus gutgetan. Auch die Länge des Spiels hat mich etwas enttäuscht. Mit 1 bis 2 Stunden je Mission war ich schon nach ca. 14 Stunden durch die Singleplayer-Kampagne durch, obwohl ich fast alle Nebenmissionen mitgenommen und auch länger nach irgendwelchen Sammelobjekten gesucht habe.
Da ich normalerweise auf dem PC mit Controller spiele, hatte ich auch die Befürchtung, dass ich gerade bei einem Scharfschützenspiel damit Probleme haben würde. Zu meiner Überraschung funktioniert die Steuerung hier aber einwandfrei und ohne Beanstandung. Auch das genaue Zielen war nie ein Problem und Danebenschießen normalerweise kein Thema.
»Sniper Elite 3« ist sicherlich nicht perfekt und könnte an einigen Stellen verbessert werden, aber trotzdem hat es mich von Anfang an in seinen Bann gezogen und irgendwie mag ich es trotz der Unzulänglichkeiten. Deshalb wird es für mich sicherlich nicht bei einem Mal Durchschleichen und Snipern bleiben. Es juckt mich jetzt schon in den Fingern, die Missionen z.B. in einem höheren Schwierigkeitsgrad abzuschließen oder einfach nur alle Nebenmissionen doch noch zu machen. Schön, dass ich dafür einzelne Missionen später noch einmal einzeln auswählen und gezielt durchspielen kann… und vielleicht probiere ich den Multiplayer doch noch einmal aus… ok, ich liege schon wieder im Sand und robbe los…
Gastautorin: Moni
Spielt seit der Erfindung des C64. Eindeutige Favoriten sind Schleich- und Actionspiele, ein wenig Ego-Shooter darf aber manchmal auch gerne dabei sein. Teilt ihre Erlebnisse in der virtuellen Spielewelt auf minkitink.de.
Snipern ist auch eine meiner LIeblingsbeschäftigung, aber nur in Settings wie Halo oder CoD Modern Warfare. Plannen und Schleichen ist nicht so mein Fall.
Schöner Artikel.
Wer in Halo dieses hüpfende Snipern gemeistert hat, für den ist sowieso gar kein Spiel mehr eine Herausforderung ;-)
Sniper Elite klingt aber irgendwie vielsprechend. Mal reinschnuppern.