Zockwork Orange

[Schrottwichteln 2017] Nocturnal Hunt

Kurze, kompakte Spielerfahrungen sind mir manchmal lieber als große, epische, weil sie sich in der Regel sehr stark auf ihren Kern fokussieren und sich nicht bereits abgenutzt fühlen, wenn man sie beendet und weil sie häufig Ideen ausprobieren, die so sonst eher selten in Spielen vorkommen. »Nocturnal Hunt« fällt genau in diese Kategorie Spiel und hat mir, trotz unserer Bezeichnung „Schrottwichteln“, sehr gut gefallen.

Mir war von »Nocturnal Hunt« im Voraus nichts bekannt und ich habe mir auch vor dem Spielen nichts dazu angeschaut oder durchgelesen. Die erste Ernüchterung erfolgte deswegen im Menü, als ich bei der Tastenbelegung was von „Schleichen“ las, bin ich doch im Schleichen in Spielen in etwa so gut, wie die AfD im postulieren differenzierter Aussagen. Die erste Überraschung wiederum erfolgte nach dem visuell tollen Intro, als ich feststellte, dass ich eine Wölfin spiele. Diese begibt sich auf die Suche nach ihrem Welpen, welcher nämlich in eine Falle getappt ist und nun auf dem Opferaltar enden soll. Das dargestellt Tierleid ist zwar einerseits ein billiger Trick, sorgt aber andererseits für eine bessere emotionale Bindung als wenn das fünfhunderttausendste, schlecht ins Spiel eingeführte, Menschenkind entführt worden wäre. Mitgefühl für Tiere funktioniert dann eben doch besser als für Menschen.

Die Wölfin bewege ich mit einer gelungenen Steuerung aus der Egoperspektive und kann dabei Sprinten, Schleichen, Springen sowie die Scent-Vision aktivieren, die wie die Detective Vision aus den Arkham-Spielen funktioniert und damit auch ihr größtes Problem mit sich bringt: Die meiste Zeit habe ich die Sicht aktiviert und wünsche mir, dass ich sie ab- und nicht anschalten müsste. Auch das Sprinten und Springen sind für das Spiel völlig unerheblich und hätten problemlos weggelassen werden können.

Die Hauptmechanik des Spiels lautet nämlich anschleichen und angreifen. Mit aktivierter Scent-Vision schleiche ich mich an bewaffnete Jägerinnen und Jäger an und sobald das Spiel ein Wolfsgebiss anzeigt, kann der Gegner erlegt werden. Dabei scheint mir die Einblendung des Gebisses nicht reibungslos zu funktionieren, denn gelegentlich bin ich daran gescheitert, dass mir das Gebiss gar nicht, zu spät oder gar wieder ausgeblendet wurde. Ebenfalls scheint dabei nicht nur die Entfernung zu den Gegner ausschlaggebend zu sein, sondern auch in welchem Winkel ich sie anschaue. Das frustriert besonders dann, wenn es zum Bildschirmtod und der Fortsetzung dem letzten Checkpunkt führt. Die Gegner selber sind meistens trotzdem einfach zu erlegen und nicht die allerhellsten Kerzen auf der Wolfstorte. Sie entdecken zwar Leichen und werden aufmerksam, wenn ich in ihrer Nähe zu laut bin, das war’s im Großen und Ganzen aber auch schon.

Die Checkpunkte sind ein großer WolfsPferdefuß des Spiels, denn manchmal ist zwischen zwei Speicherpunkten nur ein Gegner, manchmal sind es gleich 10. Für mich als Schleichlegastheniker ist das die schlimmste aller Bestrafungen und führt dazu, dass ich für das Spiel nicht 20 Minuten brauche, wie manch Steam-Reviewer, sondern 45. Denn ja, »Nocturnal Hunt« ist sehr kurz und wahrscheinlich habe ich länger gebraucht, diesen Text zu schreiben, als das Spiel zu spielen – gefallen hat es mir aber trotzdem. Womöglich liegt das in Teilen daran, dass das Schleichen bereits nach 45 Minuten wieder vorbei war, ziemlich sicher liegt es aber auch an der stellenweisen tollen Ästhetik und vor allem liegt es aber am unerwarteten Ende sowie der guten Steuerung. Wer also auf kompakte, spielerische Experimente steht und dabei Studenten der Berliner Games Academy unterstützen möchte, der kann bedenkenlos zugreifen.

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