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What Remains of Edith Finch – Was bleibt übrig, wenn man stirbt?

»What Remains of Edith Finch?« ist nicht das fröhlichste Spiel, so viel war mir beim Titel schon klar. »Edith Finch« betrachtet durch den Blick auf eine eher ungewöhnliche Familie , was nach dem Tod von einem Menschen übrig bleibt.

We’re all just stories in the end. Just make it a good one!The Doctor, Doctor Who

Die Rahmenhandlung beginnt auf einer Fähre, auf der eine zu dem Zeitpunkt unbekannte Person mit einem Strauß Blumen in der Hand sitzt und das Tagebuch von Edith Finch liest. Edith berichtet in diesem Tagebuch davon, wie sie nach mehreren Jahren in das Haus ihrer Kindheit zurückkehrt, in dem mehrere Generationen ihrer Familie gelebt hatten. Die 17-jährige Edith hatte einen Schlüssel von ihrer verstorbenen Mutter geerbt, was sie dazu veranlasst hatte, in das Finch Anwesen zurück zu kehren und ihre Familiengeschichte aufzuarbeiten, um sie in ihrem Tagebuch festzuhalten. Die Besonderheit an dem Haus: sobald ein Finch verstarb, wurde sein Zimmer für immer verschlossen, um es als Andenken an diese Person zu erhalten. Nur über Gucklöcher (und einige Geheimgänge, wie wir später herausfinden) lassen sich diese Zimmer betrachten. Da die Zimmer so schnell knapp wurden, wurde das Haus nach oben hin ständig erweitert, weshalb es ziemlich abenteuerlich aussieht, aber auch das ist ein wichtiger Teil der Story.

Die ersten Minuten im Haus wirken recht trostlos. Edith läuft durch die wenigen offenen Zimmer, die seit gut sieben Jahren leer stehen und genau so aussehen, wie sie verlassen wurden. Überall stehen Bücher, Essen und noch mehr Bücher. Wir gehen die einzelnen Räume ab, erfahren ein wenig über die Familienmitglieder von Edith selbst, deren Sicht wir über ihr Tagebuch erzählt bekommen. Wir erfahren vom Familienfluch, der die Finches schon seit Jahrhunderten verfolgt. In ihrer Heimat Norwegen waren sie für ihren Wohlstand, aber auch für ihr Unglück bekannt. Um diesem vermeintlichen Fluch zu entgehen, machte sich Edith’ Ur-Urgroßvater Odin mitsamt seines Hauses, seiner Tochter Edie, ihrem Mann Sven und ihrer Tochter Molly auf den Weg in die USA. Wieso sie gerade den beschwerlichen Weg zur Westküste an der kanadischen Grenze gewählt haben, wird nicht erklärt, man erfährt nur, dass sowohl Boot als auch Haus kurz vor der Küste untergingen. Und Odin mit ihnen, wodurch er zum ersten in den USA gestorbenen Finch wird. Der Fluch scheint nicht gebrochen zu sein. Hier beginnt Edith’ Recherche zu ihrer Vergangenheit.

Nach und nach verschafft der Spieler sich als Edith nun Zugang zu den einzelnen Räumen, in denen bestimmte Elemente – meist Tagebucheinträge des Verstorbenen selbst, manchmal Fotos oder Texte anderer – eine Erinnerungsszene auslösen, welche die letzten Momente der Person zeigen. Statt eine Cutscene zu zeigen, muss man als Spieler selbst in die Rolle des Todgeweihten schlüpfen. Zwar steuert man selbst und beeinflusst das Geschehen, der Tod ist jedoch unausweichlich, egal was man macht. Man erlebt ja nur eine Erinnerung bereits geschehener Momente und so muss man tatenlos zusehen, wie ein Finch nach dem anderen stirbt. Das Schlimme daran: man selbst muss diese Person wissentlich in ihr Verderben lenken. Man kann es hinauszögern, aber was auch immer man macht, letzten Endes weiß ich, sobald ich eine der Erinnerungen starte: diese Person wird sterben und es gibt keinen Ausweg. Vielleicht ist das die Aussage des Spiels: den Tod als etwas unausweichliches zu akzeptieren. Edith selbst scheint auch nie wirklich traurig zu sein, das ganze Spiel wirkt trotz des bedrückenden Themas und des großen, leeren Hauses, das einem Mausoleum gleicht, niemals traurig oder bedrückend, sondern eher gleichgültig. Die Verwandten sind tot, so ist es eben.

If we lived forever, maybe we’d have time to understand things. But as it is, I think the best we can do is try to open our eyes, and appreciate how strange and brief all of this is.

Der Spieler läuft zwar frei durch das Finch Anwesen, die gesamte Story wird dennoch sehr linear erzählt. Neue Wege öffnen sich erst, wenn andere beschritten wurden. Selbst wenn man das Spiel ein zweites Mal spielt und zum Beispiel weiß, wo der Schlüssel für den Keller ist, kann man ihn nicht betreten, bevor der Story-Part an der Reihe ist. Auch wenn es sich fast nie so anfühlt, dass man in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt sei, ist »What Remains of Edith Finch« doch mehr eine visuelle Shortstory als ein Videospiel. Es gibt nur wenige Herausforderungen, man kann als Spieler keine Fehler machen und man folgt einem festen Pfad durch eine lineare Geschichte, auch wenn das vor dem Spieler ganz gut versteckt wird. Spielerisch wird einem nicht so schrecklich viel geboten, aber wer 2-3 Stunden Zeit und Bock auf eine richtig gute Geschichte hat, sollte sich »What Remains of Edith Finch« unbedingt anschauen.

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