Das Erscheinen von »Grand Theft Auto« im Jahre 1997 hat in meiner persönlichen Spielerkarriere viel geändert, hauptsächlich aus zweierlei Gründen: Zum einen habe ich 1998 mein gesamtes Geld was ich überhaupt bekommen habe in den Kauf einer Voodoo 1-Grafikkarte gesteckt, damit das Spiel so gut aussah wie bei meinem besten Freund, und zum anderen habe ich das erste Mal erlebt, dass eine Wertung in einem Magazin subjektiv ist. Die Gamestar, mein damaliger Favorit in Sachen Gaming-Journalismus, vergab dem Spiel damals eine niedrige 70er Wertung – Ich kann mich auch täuschen, aber ich finde es gerade nicht heraus – und somit war das Spiel für mich eigentlich gestorben. Doch als ich dann eines Tages bei meinem Freund Sven zu Besuch die Tastatur in die Hand gedrückt bekommen habe, konnte ich mich für mehrere Stunden nicht mehr davon lösen. Wertungen in Magazinen hatten für mich ab diesem Zeitpunkt sehr viel ihrer Aussagekraft verloren und die Voodoo 1 begleitete mich noch viele Jahre.
Die Geschichte um Franklin, Michael und Trevor hat sicherlich keinen Oscar verdient, denn obwohl sie mit Verrat, familiären Dramen und einer vom Tellerwäscher zum Millionär-Geschichte durchaus spannend gestaltet ist, bleibt sie an vielen Stellen sehr oberflächlich und vorhersehbar. »GTA IV« wollte damals mit einem Protagonisten punkten, der ohne viel eigenes Zutun in die Geschichte schlittert. Ein Held, der keiner sein wollte. Niko Bellic sollte Sympathie erwecken, weil er eigentlich nicht für die Rolle des Protagonisten geboren war. Die drei Protagonisten aus »GTA V« hingegen sind selbst schuld an ihrer Misere. Franklin könnte man noch am ehesten zusprechen, dass er in die Erlebnisse hineingeschlittert ist, aber spätestens, als er in der Mitte des Spieles ausdrückt, dass er nicht aus den Geschehnissen ausbrechen, sondern weiter machen will, wird ziemlich schnell deutlich, dass Rockstar nicht um die Sympathie des Spielers kämpft. Das Einzige, was Sympathien rettet, sind die Antagonisten: Da diese noch verachtenswerter als die Protagonisten sind, hat man auch kein Problem sich diesen zu widersetzen. Aber im Endeffekt bleibt, dass die Charaktere des neuen Spiels sind, wie der Spieler selbst: Man will, dass alles den Bach runtergeht, damit man sich aus dem Dreck ziehen kann. Wer ein paar Minuten »GTA: Online« spielt, der merkt sehr schnell, dass der Durchschnittsspieler anarchisch, mordlüstern und unglaublich egoistisch ist. Die Charaktere aus »GTA V« sind Avatare des Spielers in einer offenen Welt. Auf diese Weise funktionieren Konzept und Story des Spiels sehr gut für mich, denn sie decken ab, was ich eigentlich von GTA haben will: Chaos.
In diesem Set-up läuft »GTA V« fantastisch. Fast jede Mission geht irgendwann den Bach runter und nur selten läuft etwas wie geplant und die Steigerung im Spielverlauf besteht darin, dass alles nur noch bombastischer, die Schlachten immer größer und der Gegner immer undurchschaubarer wird. Auf diese Weise wird der Fortschritt des Spielers sehr angenehm verpackt, denn gibt man sich anfangs neben den Missionen noch damit zufrieden, dass man mit einem Polizeiauto ein bisschen Unruhe stiftet, so braucht man zum Ende den Kick des Diebstahls eines Jets, weil man herausgefunden hat, wo die Militärbasis ist. Die Welt dient als Spielplatz für einen Spieler, der immer mehr herausfindet, wie er die eigenen Grenzen ausreizen kann und dafür bietet sie verdammt viele Möglichkeiten. Interessant dabei ist, dass selbst Aktivitäten wie Golf, Triathlon oder Tennis nicht langweilig werden, auch wenn sie im krassen Kontrast zum sonstigen Chaos stehen. Auch diese Aktivitäten reizen damit, dass der Spieler die Grenzen des Protagonisten kennenlernt und es ein großes Erfolgserlebnis ist, einen Triathlon mit dem letzten Fitzelchen Lebensenergie zu gewinnen. Die Fähigkeiten, die man bei diesen Aktivitäten gewinnt, sind übrigens für den Spielverlauf nicht uninteressant: Eine hohe Ausdauer hat mir in vielen Missionen das Leben gerettet, sodass ich sehr schnell versucht war, noch mehr Sport zu betreiben.
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»GTA V« ist für mich der gelungenste Vertreter der Serie. Zwischen Sandbox-Aktivitäten wie Golf und der linearen Story generiert es eine sehr gute Balance der Stärken der letzten Spiele. Die Fokussierung der Charaktere auf das Darstellen egomanischer Massenmörder ist zwar zuerst befremdlich, steht aber auch exemplarisch für die Selbstdarstellung des Spieles. An fast keiner Stelle nimmt sich das Spiel ernst genug, dass ich Probleme hatte. Allein die Folterszene hinterließ ein ungutes Gefühl in mir, das selbst das bereinigende Gespräch nach dieser Szene nicht ganz beseitigen konnte. Natürlich ist mir klar, dass ich mit meiner Bildung diese ironische Selbstdarstellung eher wahrnehme, als es ein Jugendlicher könnte. Deswegen muss ich allen Äußerungen, dass dieses Spiel nicht in die Hände von Kindern gehört, sofort zustimmen. Mit dieser Distanz hatte ich aber unglaublichen Spaß und als überzogene Komödie funktioniert das Spiel einwandfrei. Im Gegensatz zu »GTA IV«, wartet der neueste Ableger der Reihe mit einer sehr großen Welt auf, die sofort komplett begehbar ist. Dies ist aber zu Beginn eher beunruhigend, da man sich in einer neuen Situation befindet, deren Ausmaße man nicht kontrollieren kann. Der Fortschritt des Spielers ist also auch an der Karte ganz gut absehbar: Mit dem Ansteigen der eigenen Fähigkeiten, ist man auch immer mehr in der Lage große Teile der Karte einzusehen. Auf diese Weise entdeckt man immer neues und es bedarf keiner künstlichen Beschränkung. Wenn man zum Ende des Spieles aber auf den größten Berg des Spieles kraxelt, um sich dort mit einem Motorrad in den Tod zu stürzen, dann hat man ein Gefühl der Kontrolle der Spielwelt, wie ich sie noch in keinem anderen GTA hatte.
Fazit
»GTA V« ist nicht perfekt. »GTA V« ist aber unglaublich geil!