Im ersten Teil von »Castlevania – Lords of Shadow« war Gabriel Belmond noch ein Kreuzritter der „Brotherhood of Light“, der eine Reise angetreten hat, um seine ermordete Frau Marie wiederzubeleben und/oder zu rächen. Natürlich muss nicht dazu erwähnt werden, dass er auf dem Weg dahin jede Menge Vampire, Werwölfe, Untote, Trolle und anderes nicht-menschliches Märchenvolk vom Leben zum Tode beförderte. Im Verlauf des Abenteuers stellte sich heraus, dass der Mann mit der Kettenpeitsche zu mehr bestimmt ist, als nur seine Frau zurückzubringen, so gern er das auch wollte: Als einer der begabtesten Monsterjäger seines Ordens wurde es ihm von seinem Ordensbruder Zobek angetragen, der tyrannischen Herrschaft der drei titelgebenden Schattengestalten ein Ende zu setzen. Es entspann sich eine Geschichte um Verrat, blinden Fanatismus, die Suche nach der Wahrheit und letztlich auch jede Menge sauber zerlegter Horrorgestalten. Am Ende stand ein Verrat durch Zobek, der Gabriel selbst als eben eine solche Kreatur zurückließ. Statt eines herzerweichenden Endes, in dem der strahlende Held das Mädchen rettet, wurde dem Ritter ein neues (Un-) Leben spendiert: als Dracula, dem ultimativen Vampirfürsten. Zwar hatte er unglaubliche Macht erhalten, wurde aber aus Einsamkeit, Schmerz und Frustration halb wahnsinnig… Bis seine alten Kreuzritterkumpels eines Tages sein riesiges Schloss angriffen und er danach beschloss, dass er genug hatte, und sich freiwillig in einen komatösen Schlaf begab.
Hier beginnt die Handlung von »Lords of Shadow 2«. Viele hundert Jahre später wird
Ich mochte den ersten LoS-Teil aus einer Reihe von Gründen: Die monumentale, völlig übertriebene und teils unrealistische Ästhetik war zugleich albtraumhaft und bedrohlich (das Vampirschloss im zweiten Akt!), aber trotzdem elegant und gut designt. Es machte alles den Eindruck, dass es nirgends auch nur einen heruntergefallenen Stein oder ein verrostetes Kettenglied gegeben hätte, das nicht exakt für seinen ihm zugewiesenen Platz vorgesehen worden wäre. Im Tagebuch, das zugleich auch das Charaktermenü für Upgrades und neue Special Moves war, gab es eine Sektion, in der jeder Gegner mit seinen Stärken und Schwächen, einer kurzen Biografie und einer klassisch aussehenden Tintenzeichnung verewigt war. Es mag bloß Fluff sein, aber genau das ist es ja gerade: Es erinnert mich an die alten Tage von Video- und PC-Spielen, wo viele Handbücher so aufgemacht waren… Im Gegensatz zu heutigen, die lediglich eine glorifizierte Epilepsiewarnung mit Hinweis auf den Season Pass darstellen. In vielen modernen Spielen ist alles so unglaublich aufpoliert und shiny, dass die Welt dahinter vernachlässigt wird. Solche Details sind etwas, das man heute nicht mehr oft sieht und was das erste LoS für mich zu etwas Besonderem gemacht haben. Natürlich zusätzlich zur Atmosphäre an sich, die irgendwie… europäisch war? Es lässt sich schwer beschreiben, aber Gegner und Motive waren sehr an europäische Märchen, Gothic-Literatur und religiöse Motive angelehnt. Es wirkte stimmiger als etwa die »Castlevania«-Teile für SNES, wo von Medusa-Köpfen und Mumien, bis zu Zombies alles an halbwegs bedrohlichen Sagengestalten zusammengewürfelt worden war. Realistische Umgebungen, kleine Fachwerkdörfchen etwa, haben sich mit den oben beschriebenen, etwas übertriebeneren Umgebungen abgewechselt und es war eine Mischung, die – für mich – gestimmt hat. Wandelnd auf dem schmalen Grad zwischen zu traditionell-vergilbt und zu sehr over the top, quasi. Der Fiebertraum von jemandem aus dem 18ten Jahrhundert, der in langen Winternächten zu viele Schauergeschichten gelesen hat.
Es bleibt abzuwarten, inwiefern das Gegenwartssetting sich zu diesen Punkten verhält, aber zumindest das Tagebuch gibt es erneut. Aber wie sieht es denn jetzt mit den Kernpunkten aus? Wie spielt sich »Lords of Shadow 2«? Die Kurzversion: ziemlich ähnlich wie im ersten Serienteil. Erneut gibt es die berühmte Peitsche, Licht- und Schattenmagie samt dafür gedachter Alternativwaffen, wie dem Void Sword, und einmal mehr gibt es Puzzles, die sich mit großen Kämpfen und Plattformsektionen abwechseln. Ist das revolutionär? Nope. Ist das etwas Schlechtes? Nope, zum Zweiten. Die Kämpfe, vor allem die Bossfights, waren und sind auch hier wieder hochgradig unterhaltsam und die Puzzles, obwohl schwankend im Schwierigkeitsgrad, durchaus ganz nett gemacht. Für LoS2 haben die Entwickler versprochen, vor allem die Rätsel wesentlich variantenreicher zu gestalten. Einer der größten Kritikpunkte am ersten »Lords of Shadow« war der Umstand, dass es zu wenige eigene Ideen mit an den Tisch gebracht hatte, besonders wenn man »God of War« oder »Bayonetta« gespielt hat. Ich bin vielleicht zu einfach zufriedenzustellen, aber ich kann es als Designleistung genauso lobend anerkennen, wenn ein Team viele bekannte Elemente sinnvoll in einen neuen Kontext zueinander setzt, wie ich Spaß an revolutionären Ideen hätte. Würden diese Elemente nur einen Selbstzweck als Gimmick erfüllen, wäre ich davon genauso enttäuscht, wie von einem total neuartigen Kampfsystem etwa, das aber vorne und hinten nicht funktioniert.
Natürlich hat das Spiel aber auch wieder mehr zu bieten, als ein Sammelsurium aus Puzzles und Kämpfen. Einer der Momente, die mir aus dem ersten Teil im Kopf geblieben sind, war eine kleine Brettspieleinlage mit Statuen im Vampirschloss. In »Lords of Shadow 2« gibt es dagegen immer wieder kleine Schleicheinlagen, während derer man sich in einen Rattenschwarm verwandelt, oder aber Gegner ablenken muss, gegen die man sonst keine Chance hätte. Zu Beginn gibt es außerdem auch eine Stelle von besonderer Signifikanz, die dadurch unterstrichen wird, dass die Kamera in die Egoperspektive wechselt: Ein völlig ausgehungerter, halb toter Dracula findet sich in einem abgeschlossenen Raum mit einer entführten Familie samt kleinem Kind wieder. Was daraufhin passiert, kann man sich denken… Was zunächst wie purer Sensationalismus anmutet, ist aber trotzdem bedeutend. Es ist der Moment, wo verdeutlicht wird, dass vom noblen Ritter nichts mehr übrig geblieben und wie monströs Gabriel Belmont inzwischen geworden ist.
»Lords of Shadow 2« wird vor allem eines: ein Story-Titel. Während auf spielerischer Ebene versucht wird, durch neue Rätsel, Kombos und Specialmoves für frischen Wind zu sorgen, ist doch vorrangig die Story das angepeilte Glanzlicht. Die Handlung findet auf zwei unterschiedlichen Zeitebenen statt und erzählt gleichzeitig die Geschichten von Gabriel, Trevor Belmont/Alucard, Carmilla, Simon Belmont, Marie und diversen anderen Seriencharakteren. Allein der Perspektivwechsel, ab jetzt mit ehemaligen Gegnern und Monstern verbündet zu sein, diese gar zu beherrschen, sorgt für einige interessante Ingame-Momente und entsprechenden Erzählstoff. Die Castlevania-Teile der Vergangenheit mögen allesamt vom Triumph des Lichts über die Dunkelheit erzählt haben, aber dieser Serienteil ist eine Geschichte für die Fieslinge. Meine einzige Sorge ist eigentlich nur, dass die Entwickler die beiden Zeitebenen nicht richtig zueinander in den Kontext setzen können. Es wäre schade und verschenktes Potential, wenn es sich bei der Welt der Gegenwart nur um eine Fortsetzung des normalen Gameplays mit veränderten Texturen handelte. Aus Ausschnitten der Beta lässt sich bislang erahnen, dass Draculas Streifzüge durch die Moderne wohl wesentlich stealthintensiver sein werden, aber ob das nur ein Ersteindruck ist, bleibt abzuwarten. Am 27. Februar wissen wir mehr, denn dann erscheint das Teil. Ich lege einiges an Hoffnung in das neue Werk aus dem Hause »Mercury Steam«.
httpv://youtu.be/BQn9gS3oQXU