Zockwork Orange

No More Mr. Hype Guy

“Hast du schon den neuen Trailer zu xyz gesehen”, dicht gefolgt von “Die Screenshots zu blablabla sehen ja grandios aus” gehören zu den Sätzen, die ich in den letzten 3 Jahren wohl am häufigsten gehört habe. In der Regel stecken dahinter die Enthüllung eines neuen Videospiels oder ein Teaser auf lang ersehnte Fortsetzungen. Doch eigentlich bin ich diesen Prozess satt. Ich kann mich nicht mehr euphorisch auf ein Spiel freuen, von dem ich weder weiß, ob es meine aufgekommenen Erwartungen erfüllen kann oder überhaupt schafft, innerhalb der nächsten zwei Jahre in meiner Konsole zu landen. Viel schlimmer ist aber, dass ich durch diese pränatale Glorifizierung anfange, Spiele von Anfang an anders wahrzunehmen.

Ganz aktuell bin ich in solch eine Falle gelaufen und habe mich der Vorfreude auf Rockstars Mailight L.A. Noire hingegeben. Das Ergebnis ist, dass ich von einem für meine Ansprüche eher mittelmäßigen Spiel, das mir eigentlich ein paar nette Stunden hätte bereiten können, genervt und sogar enttäuscht wurde. Schuld war in diesem Fall aber nicht nur ein halbgares Spiel, sondern auch der extreme Hype, der uns Gamern auf allen Marketingkanälen um die Ohren geschlagen wurde. Wäre ich nicht mit der Erwartung in das Spiel gegangen, dass hier der geile 40er Jahre Rockstar-Hit vor mir ist, von dem seit Wochen überall geschwärmt wird, hätte ich das Spiel vielleicht mit anderen Augen sehen können. Doch wo kommen diese falschen Hoffnungen eigentlich her?

Eigentlich ist so eine Neuankündigung eine spannende Sache und auch für mich sind frische Spiele immer etwas tolles. Was ich nicht verstehe, sind die übermäßigen Hypes, die um sogenannte AAA-Titel ausbrechen, welche noch weit vom Gold-Status entfernt sind. Ursprung für diese Überschüttung ist meistens nämlich die gemeine Informationspolitik der Publisher. Die arbeiten ganz bewusst mit Minimalversorgung und zeigen lieber jede Woche einen gefälschten Screenshot, als einen ehrlichen Blick hinter die Kulissen zu geben. An dieser Stelle müssen wir sogar die bittere Pille schlucken, denn immerhin ist die Aufgabe eines funktionierenden Marketings, die Diskussionsrate eines Produkts möglichst lang oben zu halten. Im besten Falle klappt das gut – wie aktuelle Titel à la Skyrim oder BioShock Infinite vorbildlich beweisen. Übertreibt man es aber mit Bildchen und Filmchen, entsteht schnell ein gewisser Overkill an Informationen. Am Ende leidet darunter dann meistens die Glaubwürdigkeit und im schlimmsten Fall das Studio, welches für das Spiel verantwortlich ist. Richtige Informationen bewahrt man sich lieber für einen dicken Coverdeal mit Magazinen wie GameInformer auf, die zahlen nämlich ein schönes Sümmchen dafür.

Aber auch die Publisher selbst nutzen alle Wege, die Fans an sich zu heften. Jüngst hatte die Enthüllung vom neuen Assassin’s Creed Facebook-Nutzer dazu bewegt, für jeden neuen Informations-Fetzen eine Marke an Facebook-Fans zu überbieten. Am Ende war die Aktion zwar nett, aber außer einem kleinen Flashvideo gab es nichts zu sehen. Der Assassin’s Creed-Seite hat das bestimmt eine Menge mehr gebracht als den neuen Fans. Aber weil das an Dreistigkeit nicht genug ist, werden wir im Vorlauf auf die E3 nicht mit Teasern oder gar richtigen Trailern für das Spiel geködert. Ubisoft veröffentlicht lieber ein mehrteiliges Entwicklertagebuch, in dem nichts anderes gezeigt wird, als Leute aus dem Studio in Montreal, die mit großen Tönen verkünden, dass auf der E3 allen die Kinnlade runterfällt. Für was? Damit ich weiß, dass ich mich auf den nächsten Trailer freuen soll? Im Moment hätte ich lieber einen handfesten Grund, mich nach drei Spielen als Altaïr und Ezio erneut für deren Geschichte zu begeistern.

httpv://www.youtube.com/watch?v=qMNjOWO3rP8

Wenn es dann aber mal ein paar exklusive Informationen gibt, finden sich dazu auch schon Tage vorher Gerüchte oder sogar Leaks. Das geht natürlich bei Fans und einer aufmerksamen Peergroup schnell herum und sorgt so für einen sicheren Informationsfluss. Das ist auch wichtig, wenn das Marketing sein Ziel erfüllen will. Ganz bewusst werden also Sachen geleaked oder zur großen Skandalstory aufgebaut. Das populärste Beispiel dafür ist wohl Modern Warfare 2, bei dem wirklich ganz absichtlich ein Skandal inszeniert wurde. Ansonsten hätte man das Terroristen-Level, in dem man Zivilisten durch einen Flughafen schießt, bestimmt schon lange vergessen. Immerhin ist auch schlechte PR immer noch PR. Hauptsache das Spiel bleibt für mehrere Monate präsent auf den Startseiten der Gamingportale und natürlich im Gespräch bei den Käufern. Das ist der Moment an dem Quality mit breitem Grinsen von Quantity überholt wird und wir als Endkunden uns extrem an der Nase herumgeführt fühlen sollten.

Aber mein Lieblingsbeispiel für die ungenügende Präsentation ist wohl das vor kurzem angekündigte Dead Island. Innerhalb kürzester Zeit hat der Teaser zum Zombieabenteuer von Techland seinen Weg um die Welt gemacht und schneller als kaum ein Spiel zuvor seine Facebook-Fans in die Höhe getrieben. Über 100.000 Fans innerhalb weniger Tage. Zwar ist der Teaser schön gestaltet und bietet definitiv etwas besonderes, sagt aber leider überhaupt nichts über das angepriesene Spiel aus. Im Kontrast zu tausend Menschen, die deshalb trotzdem heiß auf den Titel sind, schaue ich die veröffentlichten Screenshots an und bin nur mäßig beeindruckt. Den aktuellen Gameplay-Trailer, der mir von jedem zweiten in meiner Twitter-Timeline empfohlen wird, hat mich in dieser Meinung nur unterstützt.

httpv://www.youtube.com/watch?v=T2xFFRgl-oM

Ein anderer aktueller Fall wäre der Reveal zu Modern Warfare 3. Kürzlich hatte Kotaku einen großen Insider-Artikel zur Story des nächsten Call of Duty-Goldesels. Und das lange vor dem offiziellen Statement von Activision. Erst danach werden ganz passend erste Teaser ins Netz gestellt, um die frisch angeheizte Meute am köcheln zu halten. Doch was soll mich als Konsument an der Stange halten? Diesmal soll die Story nach Deutschland gehen, und meine Sensoren sind eigentlich sofort ausgeschlagen: Ein moderner Kampf in den Straßen von Hamburg oder Berlin? Das reizt mich spielerisch schon sehr und mich würde interessieren, wie diese Passagen umgesetzt werden. Doch Pustekuchen! Alles was die lahmen Videos zeigen, sind grüne Funkspruchwellen und Ausschnitte aus gerenderten Kulissen. Wenige Sekunden später ist es wieder vorbei. Verschwendete Zeit, die ich eigentlich von Activision zurückfordern sollte.

Im Prinzip ist es schon fast Standard von PR-Abteilungen und Klon-Presse im Internet, mit winzigen Informationen vollgemüllt zu werden, mit etwas Selbstdisziplin halte ich es aber für möglich, diesen Marketingtricks zu entgehen. Der Gipfel meiner Geduld ist erreicht, wenn Leute aus meinem sozialen Umfeld versuchen, schon lange vor Release eine Kaufentscheidung aus mir zu kitzeln. Ansagen wie “Das steht bei mir auf jeden Fall ganz oben auf der Liste” oder “Das hab ich direkt vorbestellt” setzen den Empfänger – in diesem Falle mich – noch mehr in den Zugzwang oder zumindest in die Situation eine Position zu ergreifen. Dass mir das eher schwer fällt und ich mich viel wohler damit fühlen würde, ausführlicher über das Spiel Bescheid zu wissen, kann der ein oder andere hoffentlich verstehen.

httpv://www.youtube.com/watch?v=N3ICpYaSD14

Trendsetter schön und gut, aber wie kann man ein Spiel so feiern, von dem man nur ein paar schöne Rendertrailer, täuschende Targetshots und vielleicht ein Ingame-Filmchen kennt? Ich weiß von keinem Kinofilm, bei dem nach Veröffentlichung des ersten Filmplakats direkt Karten für den Film reserviert werden. Dazu kommt, dass sich so eine Meinung schnell ändern kann. Ich habe schon so oft nach Trailern im Kino gedacht, dass ich den Film unbedingt sehen muss, schaue am Ende aber maximal ein Drittel der Filme wirklich an. Selbiges gilt auch für Spiele: Nicht alles was glänzt ist auch gleich Gold und alle, die seit über einem Jahrzehnt auf den Duke gewartet haben, werden mir da vielleicht zustimmen.

Sich auf Spiele zu freuen ist natürlich weder falsch noch verwerflich, aber ich würde gerne in Zukunft verschont bleiben von dieser Meinungsmache. Ich möchte mich nicht mehr künstlich über Sachen freuen, die erst Monate später erscheinen und konzentriere mich lieber auf Dinge, die mir zeitnah Freude bereiten können. Vielleicht bin ich in letzter Zeit einfach zu oft enttäuscht worden um weiter blindlings in Marketingfallen zu rennen, finde es aber tief traurig, dass einige akzeptable Spiele durch die aufgebaute Erwartungshaltung nach Veröffentlichung nur noch als Mittelmaß abgestempelt werden können. Am liebsten würde ich mich einfach komplett aus diesem Apparat ausklinken, mit einem Auge in Richtung E3 und Messesommer wird das aber wahrscheinlich nicht so schnell umzusetzen sein. Für Metal Gear Solid: Rising mach ich vielleicht sogar eine Ausnahme.

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