Meine Erfahrungen mit Drogen halten sich relativ in Grenzen. Klar, ginge ich jetzt näher ins Detail, würde sich xStraightEdge1995x@myspace.com
verächtlich die Reste seines Tofuschnitzels aus seinem Unbroken-Bandshirt pulen, aber ich glaube, wir Normalsterblichen sind da mehr oder weniger en par. Insbesondere habe ich keine Erfahrungen mit synthetischen Drogen im allgemeinen und im Zusammenhang mit der Techno-Szene im speziellen. Die Gründe dafür sind vermutlich eine gesunde Mischung aus zu behüteter Jugend in zu kleinstädtischem Reihenhaus, zu inkompatibler musikalischer Sozialisation und zu inkompatiblem Freundeskreis. Und jetzt ist es irgendwie auch zu spät, damit noch anzufangen. Oder? Warum ist das überhaupt wichtig für ein Spiel wie Child of Eden?
Nun, als hochprofessioneller, endkompetenter und gnadenloser Spielreviewer, für den Gamestar & Co. regelmäßig Kristin absurd hohe Transfersummen bieten, bin ich natürlich in der Pflicht, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um ein Spiel optimal zur Geltung kommen zu lassen. Ich kann ja auch nicht Crysis auf einem 486er spielen und mich dann über die miese Framerate beschweren. Oder mit was PC-Spieler sich heutzutage sonst so rumärgern. Muss ich also völlig druff sein, um ein Licht- und Bass-Spektakel wie Child of Eden adäquat genießen zu können? Ich vermute: Nein. Child of Eden ist so abgefahren bild- und soundintensiv, dass mein Kopf bei Verstärkung wohl platzen würde. Man kann eigentlich gar nicht beschreiben, was für ein luzider Farbenregen auf einen einprasselt. Am liebsten stelle ich den Fokus meiner Augen auf unendlich und starre direkt durch das Bild hindurch, was sehr zu Lasten der Konzentration auf das Spielgeschehen geht. Denn da geht es echt zur Sache; wie schon den Vorgänger Rez (mit ziemlich genau 1:1 demselben Spielprinzip) finde ich auch Child of Eden stellenweise brockenschwer. Doch von vorne.
Storyzusammenfassungen interessieren ja keine Sau, aber die Geschichte von Child of Eden ist so völlig durch, das müsst ihr euch einfach mal geben: Da wird ein Mädel namens Lumi also als erster Mensch im Weltraum geboren und hat nie einen Fuß auf die Erde gesetzt. Aber sie hat eine gewisse Phantasie davon, wie es auf der Erde wohl aussehen mag und was dort so passiert. Diese vermutlich völlig überzogenen Erwartungen werden nach ihrem Tod konserviert. Unabhängig davon wird viel später das Internet (das jetzt Eden heißt) im gesamten Weltraum verfügbar gemacht, damit die Leute dort sich eben nicht mehr ausmalen müssen, was auf der Erde so passieren könnte, sondern sie bekommen es zum Abruf bereit gestellt. So ähnlich also wie die Voyager Golden Record also, nur dass außer J.S. Bach eben noch furry porn und Lolcats mit an Bord sind. Als nächstes kommen irgendwelche sadistischen Wissenschaftler auf die Idee, einen Cocktail aus Phantasie (Lumi) und Realität (Eden) zu mixen, also der mumifizierten Lumi das unschuldige Kopfkino mit 4chan, rotten.com und Amazon-“Rezessionen” mal so richtig einzunorden. Und in diesem Mashup-Szenario (welches vom Spiel nicht ganz so nihilistisch gezeichnet wird, wie ich es hier präsentiere) aus stilisierten Erinnerungen und Abbildungen ballere ich mich in einer Art Weltraum-Railshooter durch, und dies nicht gerade problemlos.
Denn leider – und jetzt kommen wir zu dem unschönen Teil – ist für mich Child of Eden schwer im Sinne von unfair. Ihr kennt ja diese tollen Spiele wie Super Meat Boy, Outland, VVVVVV oder meinetwegen auch ein Super Mario in den höheren Leveln, die wirklich knackig sind, euch in den Controller beißen lassen, aber euch gleichzeitig motivieren, es nochmal und nochmal zu probieren. Das liegt für mich persönlich ganz einfach daran, dass
a) immer klar ist, was gemacht werden soll,
b) es theoretisch irgendwie machbar aussieht,
c) man für Wiederholungsversuche meistens nicht erst eine Weltreise durch semi-herausfordernde Stellen auf sich nehmen muss
und
d) es eigentlich nur an der Koordination von Kopf, Auge und Hand hapert.
Punkt d) ist dann der, welcher einen letztlich anspornt, weil man ja nicht wie der letzte Otto vor sich selbst da stehen möchte.
Leider ist das bei Child of Eden anders: Erstmal dauert ein Level locker 10-20 Minuten ohne Checkpoint, so dass man bei Versagen den aktuellen der insgesamt nur 5 Levels noch einmal ganz von vorne anfangen muss: Verletzung von Punkt c). Dabei ist das Spiel in den meisten Situationen relativ delay-tolerant. Ich kann also meistens gemütlich bis zu acht Ziele markieren, indem ich den Knopf gedrückt halte und beim Loslassen werden die Ziele dann auf einen Schlag zerstört (wie gesagt, kennt man von Rez). Manchmal verschwinden die Gegner auch einfach wieder, wenn man zu lange braucht. Damit kann man sich dann letztlich im zweiten oder dritten Anlauf durch das Level mogeln, aber hat es nicht unbedingt gut abgeschlossen.
Und dann wird es in meinen Augen wirklich unfair: Egal, wie sehr mich anstrenge, wie oft ich ein Level übe, ich bekomme jedes Mal zwei Sterne zum Abschluss. Keine Ahnung, was das Maximum ist – drei Sterne? Fünf? Zehn? Ich hatte noch nie etwas anderes als zwei. Ich weiß auch nicht, was ich besser machen kann – das ist völlig intransparent. Vermutlich verpasse ich einfach zuviel von dem, was gerade off-screen abgeht. Manchmal bekomme ich ein “Perfect!” oder “Good” eingeblendet. Nach welchen Kriterien? Keine Ahnung. Verletzt werden hier also die Punkte a) und b). Klar, vermutlich ist mein Problem letztlich Punkt d), weil ich einfach nicht schnell oder gut genug bin. Aber wo muss ich meine Prioritäten setzen, worauf soll ich besser achten in diesem ADHS-Fuckfest? Child of Eden lässt einen mit dieser Frage allein.
Die Sterne addieren sich aus jedem geglückten Levelabschluss zu einer Gesamtzahl auf und jetzt kommt’s: Man muss mit seinen gesammelten Sternen die nächsten Levels freikaufen. Einfach nur schaffen reicht nicht: Level 2 kostet 4 Sterne, Level 3 kostet 8 Sterne und Level 4 kostet bereits 14 Sterne. Ich muss also auf meinem 2-Sterne-pro-Sieg-Niveau, von dem ich einfach nicht aufsteige, Level 1 zweimal gewinnen, um auf Level 2 zu kommen. Level 1 und 2 muss ich insgesamt 4x durchspielen, um auf Level 3 zu kommen. Und für Level 4 müsste ich Level 1, 2 und 3 insgesamt 7x durchspielen und mir dabei jedes Mal denselben Scheiß ansehen. Alter, geht’s noch? Billiger kann man die Spielzeit wohl nicht hochtreiben.
Überhaupt fühlt sich Child of Eden eher wie ein XBL-Arcade-Titel für 800 oder 1200 Punkte an, als Retailspiel für 50 EUR ist das Gesamtpaket womöglich doch etwas dürftig. Aber ich hätte ehrlich gesagt lieber die 5 Levels in ein bis zwei Stunden durchgezockt und hätte mich dann beliebig lang in dem Chillout-Modus zugedroned, bei dem man unbesiegbar einfach durch bereits freigekaufte Levels schwebt. Aber ich kann Level 3 und vor allem Level 2 und ganz vor allem Level 1 einfach nicht mehr sehen und hab auch keinen Bock mehr auf diesen armseligen Spielzeit-Taschenspielertrick. Das war’s dann wohl. Eines der wenigen Spiele, die mir prinzipiell gefallen und die ich wohl nicht beenden werde. Dabei bin ich da sonst sehr gewissenhaft.
Fazit: Child of Eden sieht hammergeil aus, der Elektro-Soundtrack (ist das Techno? Trance? Wie eingangs erwähnt, nicht ganz mein Vertiefungsfach) knallt gut rein und das an sich recht simple Spielprinzip hilft auch darin, dass man schnell abtaucht. Leider erwartet das Spiel auf der anderen Seite offenbar extrem gute Skills, mit denen ich Lulli nicht dienen kann. Es kann sich nicht entscheiden, ob der Spieler jetzt wegspacen darf oder voll konzentriert jedes Minipixel abknallen muss. Die Mischung verlangt beides und darauf komme ich nicht klar. Schade. Vielleicht muss man doch Amphetamine geschmissen haben, um bei Child of Eden auf einen grünen Zweig zu kommen, dieses Zubehör liegt dem Spiel aber nicht bei und muss separat gekauft werden.