Zockwork Orange

Ist Grafik alles? War Grafik alles? Und kann Grafik alles sein?

Phänomene wie »Stardew Valley« und ähnliche Pixelvertreter machen ganz klar – die Pixel sind noch nicht ausgestorben und begeistern wie in den glorreichen Tagen des Super Nintendo. Doch ist Retro-Optik inzwischen ein Trend, besonders in der Indie-Szene. Bricht dieser Trend dabei die Ästhetik der „Alternativlosigkeit“ alter Spiele auf die technische Realisierbarkeit herunter? Oder ist diese Optik eine Kunstform, die sich bei der Pixelära für all die Stunden vor dem Röhrenfernsehr oder CRT Monitor bedankt?

Yesterday’s calling

Inspiriert von einer Ära an Videospielen, die viele heutige Mitglieder der Spielebranche geprägt und animiert hat, entstehen seit Jahren Spiele, deren pixelige Grafik heute ein Stilmittel ist und keine Lösung aufgrund von fehlenden Alternativen. Man möchte meinen, dass durch den Stand der Technik und die Zugänglichkeit von Engines und Spiele-Devkits jedes dieser Werke mindestens den Geist seiner Ahnen mit sich trägt, wenn nicht sogar diesen übertrifft.

Doch gibt es gerade in diesem Bereich der Spiele eine große Schere zwischen Titeln, die phänomenal einschlagen und anderen Vertretern, die nahezu eine Groteske darstellen. Viele Titel wirken tatsächlich wie Produkte der Alternativlosigkeit, uninspiriert und grobschlächtig. Diese finden meistens nicht die geringste Resonanz und gehen – zum Glück – unter. Um einem Indie-Titel die Seele der Vergangenheit einzuhauchen braucht es mehr als 8Bit-Grafiken und klassische Genres wie Jump’n’Run, Vertical- oder Horizontal-Scroller oder Beat’em Ups.

Die Titel, die erfolgreich das Gefühl eines modernen Retro-Titels rüberbringen, bieten mehr als eine Neuauflage schon Gesehenem. Sie bieten die Liebe zum Detail, aufwändige Pixelart und ein starkes Story-Fundament. Beispiele wie »Stardew Valley«, »Terraria«, »Crypt of the Necrodancer« oder »Binding of Isaac« sind deshalb so phänomenal, weil sie gekonnt die alte Schönheit und die simple Technik mit modernen, manchmal sogar innovativen Spielideen und den heute möglichen Dimensionen kombinieren. Andere Titel wie »Broforce« oder »Hotline Miami« würzen das Ganze noch mit einem ganz eigenen Charme. Mit Humor voller Referenzen erinnern sie an die Actionfilme jener Ära, die man als Kind, Jugendlicher oder junger Erwachsener in den 80ern und 90ern gesehen hat. Diese Spiele arbeiten nicht nur mit einer flachen, zweidimensionalen Kopie von nostalgisch glorifizierten Werken, sondern bringen uns das gesamte “Gestern-Gefühl” und damit die Befriedigung unserer Nostalgie zurück.

Mehr als schön

Die allgemeine Definition von Grafikfetischismus scheint wohl zu sein, sich nur an der neuesten, brillantesten HD Grafik zu ergötzen. Das ist zumindest das Negativbild der Grafikfetischisten. Das ist der negative Beigeschmack bei jeder Diskussion über die Vor- und Nachteile von PCs und Konsolen. Doch ist das eine vollkommen falsche Auffassung der Bewunderung grafischer Leistung. Natürlich sind Spiele wie »Uncharted 4«, »The Witcher 3«, »Far Cry Primal« und andere Grafikbomben der heutigen Zeit absolute Prachtexemplare, doch wird hierbei außer Acht gelassen, dass es auch in Sachen Grafik mehr gibt, als nur hochauflösende Texturen und eine leistungsstarke Engine. Auch hier zählt die Liebe zum Detail, Kleinigkeiten machen weit mehr aus, als die große Spielwelt. Sich brechende Lichter, oder herumfliegender Staub sorgen dafür, dass sich eine Welt so beeindruckend anfühlt und die Augen übergehen vor Eindrücken.

Doch was ist mit Spielen aus Zeiten, in denen physikalisch korrekte Lichtbrechungen oder herumfliegende Objekte technisch nicht möglich waren? Auch hier gibt es großartige Beispiele. »Secret of Evermore«, »Terranigma« und »Secret of Mana« sind nur drei Vertreter einer Epoche, durch die heute noch Spieler und Spieledesigner inspiriert werden. »Mortal Kombat« mit seinen fotorealistischen Kämpfern beeindruckte die Pixelwelt und steigerte den Hunger nach Authentizität umso mehr. »Super Mario 64« war als einer der Launchtitel des Nintendo 64 bahnbrechend in allen Belangen und ist heute noch spielbar, ohne dass einem schlecht wird. »Pokémon Stadium« brachte die zweidimensionalen Taschenmonster in eine fast greifbare, plastische Darstellung. Die Wassereffekte von »Morrowind« waren unglaublich realistisch. Diese Handvoll Vertreter von Generationen weit vor unserer heutigen Leistung sind Beispiele gut gealterter Titel, die auch heute noch beeindrucken können. Doch auch nicht nur wegen ihrer Zeit grafischer Brillanz, sondern wegen der Innovation und dem Ausreizen der möglichen Mittel.

Das Argument “Grafik ist nicht alles” trifft also tatsächlich zu und ist nicht nur der letzte Strohhalm, an den sich Konsoleros klammern, wenn es um die PC Masterrace geht. Auch die Maxres-Power hochgerüsteter PCs lässt gute Spiele nur besser aussehen, es gibt aber keine Hardware auf der Welt, die Spielgefühle verstärken kann. Solltet ihr in einer Diskussion mal an den Punkt kommen, an dem es auf dieses Thema kommt, so gebt nach. Stellt sich jemand über euch, weil er ein Spiel nur mit seinen Augen erleben kann, dann dreht um, denn wenn ihr ein Spiel mit dem Herzen erlebt, jede Minute in seiner Welt genießt, dann habt ihr verstanden, worauf es bei Spielen wirklich ankommt.

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