24 Jahre sollten vergehen, bis ich zum ersten Mal die Gelegenheit hatte »The Great Diana Sisters« zu spielen. Jener Platformer von dem man immer nur hörte, dass er ein ganz dreister »Mario Bros.«-Klon sei, dessen Distribution von »Nintendo« gestoppt wurde. Natürlich wusste ich wie das Spiel aussah und gelegentlich, wenn man auf dem Schulhof mal wieder mit Nerdwissen prahlen wollte, kam dieses Spiel zur Sprache, ohne dass es von uns je einer gespielt hatte. Warum auch? Nintendo-Konsolen waren in meinem Freundeskreis üppig vorhanden und so hatten wir jederzeit Zugang zu einer breiten Palette von Mario-Titeln. Und sowieso: Mädchen interessierten uns in dem Alter doch eh noch nicht, da machten wir auch für die namensgebende Giana und ihre Schwester keine Ausnahme. In den Herzen vieler Retroliebhaber, die vermutlich auch ein bis drölfzig Jahre älter sind als ich, gab es aber immer einen Platz für das verstoßene und von der Nintendo-Generation vergessene Geschwisterpaar. Mein erstes Date mit den beiden Schwestern hatte ich dann vor ein paar Jahren auf der gamescom am Retrostand und ich bereute nicht, bisher nur mit schmierigen italienischen Klempnern geflirtet zu haben.
Über die Jahre erschienen neben einer offiziellen (1989), auch diverse Bootleg-Fortsetzungen, dann in den Nullerjahren, nachdem die Lizenz irgendwann beim deutschen Entwickler Spellbound landete, ein offizieller Nintendo-DS Ableger (oh, the irony) und eine iPad Variante. Mittlerweile sind die beiden XX-Chromosomenträger bei Indie Entwickler Black Forest Games angekommen, dessen Team sich zum größten Teil aus ehemaligen Spellbound Mitarbeitern zusammensetzt, und erleben im 2D Platformer Giana Sisters: Twisted Dreams ein neues, gar nicht mehr so retromäßiges Abenteuer.
Eigentlich würde jetzt hier eine knappe Zusammenfassung der Story hingehören, doch die hat man sich in den kurzen 12 Monaten der Entwicklungszeit offenbar einfach gespart und so sieht man zu Beginn des Abenteuermodus lediglich eine kurze Sequenz, in der zwei Mädchen von einem Kristall in eine andere Dimension/Traumwelt/Whatever gezogen werden. Die Tatsache der fast komplett fehlenden Story macht diese sowieso schon etwas merkwürdige Lizenz noch etwas verrückter, trübt aber den Rest des Spiels nicht wirklich. Was »Twisted Dreams« interessant macht, ist die Möglichkeit jederzeit zwischen den beiden Charakteren wechseln zu können, wodurch sich das Aussehen und teilweise auch der Aufbau der Level verändert. Steuere ich eine Schwester, steuere ich die andere praktisch gleich mit, auch wenn die beiden sich in zwei verschiedenen Varianten der Welt befinden.
Während sich die düstere, punkige Schwester in einer bunten Märchenwelt wiederfindet, ist die Mauerblümchen-Schwester in der verderbten, düsteren Albtraumversion derselben gefangen. Wo in der einen Version eine Brücke ist, kann in der anderen schon wieder ein Abgrund oder ein Lavabecken sein, was in der hellen Welt ein angriffslustiger Vogel ist, ist in der anderen ein hässlicher Dämon. Dies ist aber mehr als nur eine optische Spielerei, denn die Architektur der Level erfordert es oft zwischen den beiden Schwestern zu wechseln, da die Unterschiede sich auch auf das Vorankommen auswirken: Plattformen bewegen sich beispielsweise anders, oder ein Tor ist in der Welt geschlossen, in der anderen geöffnet. Hinzu kommt, dass beide unterschiedliche Spezialfähigkeiten haben. Wechsele ich während ich z.B. mit Punky ihren Feuerball-Ansturm ausführe zu ihrer Schwester, übernimmt diese den Move ebenfalls. Durch bestimmte Tricks sind diese Specials kombinierbar und ich kann höhergelegene Plattformen erreichen oder mehr Gegner ausschalten. Dies macht den Spielfluss am Anfang zunächst ungewohnt, aber sobald ich mich irgendwann ein bisschen daran gewöhnt habe, auch verdammt spaßig und abwechslungsreich. Schön ist, dass ich mir jederzeit aussuchen kann, wie ich einen Level durchspielen möchte. Ob ich einen igelmäßigen Speedrun hinlege oder auf Erkundungs- bzw. Kristallsammeltour gehe, bleibt mir völlig selbst überlassen. Beides macht gleichermaßen Spaß und ermuntert auch zum erneuten Spielen.
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Von der Schwierigkeit ist Twisted Dreams ein Spiel aus der Kategorie der Gamepad-Killer, denn es ist zwischendurch schon frustrierend knackig, wenn auch nicht mit einem Super Meat Boy vergleichbar. Dies ist es auch ein bisschen der etwas behäbigen Steuerung geschuldet, die ich aber längst nicht so schlimm fand wie manch anderer Schreiberling. Der Grafikstil ist zwar recht hübsch und liebevoll gestaltet, entspricht aber mal so gar nicht meinem Geschmack. Da ist mir der Charme eines Mettklumpens schon deutlich lieber. Gleiches trifft auch auf den Soundtrack zu, denn der ist, obwohl er ja vom so oft gelobten Chris Hülsbeck stammt, für meine Ohren eine reine Zumutung. Die leicht dudelige Klimpermusik im Hintergrund der Spießer-Schwester nervte mich sogar fast weniger, als die grauenhaften 80er-Jahre Powermetal-Gitarrensoli, die abgefeuert werden, wenn man gerade die Punkgöre steuert. Allerdings, dass muss man dem Sounddesigner wirklich lassen, der Übergang der Musikstile beim Wechseln zwischen den Charakteren, ist mindestens genauso schön flüssig und gut gemacht, wie das Morphen auf der Grafikebene.
Viel ist von dem ursprünglichen Mario-Klon nicht übriggeblieben: Zerstörbare Blöcke als freundliche Hommage an das ehemals große Vorbild und das Besiegen der Gegner durch beherzte Sprünge auf deren Köpfe, erinnern zwar gelegentlich noch an den eigentlichen Ursprung dieser IP, ansonsten hat das neue Giana Sisters sicher seine völlig eigene Daseinsberechtigung. Unterm Strich ist es aber doch ein recht klassisches Jump’n’Run und – man verzeihe mir diese Floskel – erfindet das Genre nicht neu. Wer im Besitz eines Gamepads für den PC ist (lässt sich natürlich auch mit Tastatur steuern, halte ich aber nicht für empfehlenswert), die ganzen anderen Indie-Platformer schon durchgespielt hat und gerade dringend Futter braucht, dem kann ich aber dennoch bedenkenlos eine Empfehlung aussprechen, denn auch wenn das Gesamtpaket runder sein könnte, bietet »Giana Sisters: Twisted Dreams« sicherlich Spaß für so um die 6-8 Stunden und legt für Masochisten auch noch finsterere Hardcore-Spielmodi oben drauf, die sicherlich ausreichen würden um für 14,99€ den Rest seines Lebens was zu tun zu haben.
Update: Wollmilchkuh wies mich in den Kommentaren darauf hin, dass man nicht die beiden Schwestern steuert, sondern die unterschiedlichen Persönlichkeiten von Giana. Kommt im Spiel leider nicht wirklich gut rüber und ist mir daher völlig abgegangen. Danke für die Erhellung.
Ich bin mit diesem Spiel ein wenig im Zwiespalt, teilweise habe ich richtig Freude daran und schlagartig wechselt es in puren Hass. Was meist mit der in meinen Augen (für einen Platformer) zu ungenauen Steuerung zu tun hat.
Das resultierte leider öfter als ich möchte darin, dass ich “Cheap-Deaths” auf Teufel komm raus nur mit Glück ausweichen konnte. Dabei bin ich nicht unbedingt schlecht in diesem Genre.
Ansonsten bin ich technisch schon recht beeindruckt, es läuft butterweich und der Weltenwechsel/Musikwechsel ist einfach toll anzusehen/anzuhören.
Ob ich es ohne Kickstarter gekauft hätte? Wahrscheinlich erst in einem Sale.
PS: Kleiner Hinweis, man wechselt nicht zwischen den Schwestern, sondern ihren 2 Persönlichkeiten und ist auf der Suche nach der Schwester. Ich weiß, die Story passt in einen Satz. :D
Wird das im letzten Level geklärt? Bin noch nicht ganz durch, irgendwo Mitte der dritten Welt angekommen. Aber so beim Spielen wird das nicht klar, dass es eine Person mit zwei Persönlichkeiten ist.
Maria ist die mit den grünen Haaren, direkt im ersten Level, die vom Drachen verschluckt wird. :)
In der Startmenü Sequenz wird sie in den “Traum” gesogen und in dem kann Giana zwischen ihren 2 Persönlichkeiten (Cute/Punk) wechseln.
Sie haben aber auch selber schon gesagt, dass es bei kaum jemanden rüber gekommen ist.
Schau an. Storytelling fail. ;)
Hätten sie den einen Satz zur Story wohl lieber doch einfach am Anfang dazu gepackt. :D
Schönes Review :) Irgendwann werd ich mir das Spiel sicher mal anschauen, ich liebe Jump’n’Runs und so viele gibt es da ja heutzutage eh nicht davon.
Zu der Verwirrung mit der Story: Wieso heißt das Spiel Giana Sisters, wenn doch nur eine der Schwestern Giana heißt?
Ja, auch das hilft nicht unbedingt bei der Entwirrung.
Besonders doof ist ja, dass es eine Abstimmung über den Namen gab und dort eine Auswahl “Giana’s Sister” war. Das hätte zumindest etwas mehr Sinn ergeben, irgendwie.
Aber am Ende haben sie keinen der 3 Namen genommen und sich für den jetzigen Entschieden, warum ist mir entfleucht.
Aber alles ja eigentlich nur halb so schlimm, ob mit oder ohne Story ändert am Spiel ja nichts. :)
Aber es heißt doch auch Mario Bros obwohl der eine Mario und der andere Luigi heißt. Und jetzt sagt mir nicht, dass der Super Mario Film Canon ist. Nur weil die da sagen der Nachname wäre auch Mario glaube ich das noch lange nicht! ;-)
Giana? War das nicht die mit Sex-Video?
Okay, das mit Mario Bros. stimmt, daran habe ich nicht gedacht. Da das Spiel ja ein Marioklon ist, passt der Name sogar.