Zockwork Orange

Generische Videospiel-Cover und der Wunsch nach mehr Abwechslung

David Gaider, Lead Writer von Dragon Age, hat vor einigen Wochen eine interessante und ehrliche Präsentation zum Thema Sexualität in Videospielen gehalten. Darin beleuchtet er den schweren Weg der Spieleindustrie, die einerseits als Kunstform ernst genommen werden, aber anderseits nicht zu sehr auf soziale Probleme eingehen möchte, es seien ja bloß Spiele. Wie werden Protagonisten in Videospielen repräsentiert, besonders im Hinblick auf das Cover der Hülle (Box Art) und brauchen wir mehr Abwechslung?

Unter andrem zeigt David Gaider an einer Stelle seiner Präsentation verschiedene Box Arts mit weiblichen Charakteren in der Hauptrolle. Er stellt die Frage, was Casual Gamer anspricht und hebt mit Statistiken hervor, dass die Hälfte der Gamer weiblich seien. Unter seinen Cover-Beispielen sind sehr sexualisierte Protagonisten wie »Bayonetta«, aber auch Frauen, wie Jade aus »Beyond Good & Evil« zu finden. Ich habe mich dabei erwischt, wie ich mir die Frage gestellt habe, welches Cover mich anspricht. Dabei bin ich sofort zu dem Schluss gekommen, dass Bayonetta und Co. nicht in meiner Videospiele-Sammlung landen. Allerdings belüge ich mich damit ein bisschen selbst. Ein Großteil meiner Sammlung besteht nämlich aus »Tomb Raider«. Blickt man auf diese Serie zurück, hat sich hier von den sexualisierten Proportionen nicht viel getan, den aktuellen Ableger außen vorgelassen. Damals ging es mir weniger um ihr Aussehen, sondern mehr um ihren Charakter und die Tatsache, endlich eine weibliche Hauptrolle zu spielen. Wirklich realisiert, wie sexualisiert sie ist, habe ich erst, als im Internet die Diskussionen über genau diesen Aspekt entbrannte. Letztendlich habe ich trotzdem alle Teile gespielt. Würde man die Cover heute nebeneinanderstellen und mich wählen lassen, würde ich allerdings das neueste Tomb Raider-Box-Art bevorzugen.



Persönlich geht es mir gar nicht so sehr um sexualisiert oder nicht sexualisiert. Was mir Freude bereitet, wenn ich in einem Videospielladen stöbere, ist die Abwechslung. Identifizieren kann ich mich nach all den Jahren mit beiden Geschlechtern. Trotzdem habe ich folgend einige Box Arts mit weiblichen Hauptrollen zusammengestellt, die mich persönlich ansprechen und zum Kauf verleiten würden und auch haben. Ja, mal einen weiblichen Protagonisten auf der Box und in der Hauptrolle zu sehen; da fängt für mich schon Abwechslung an. Und – ohne eine große Sexisums-Debatte starten zu wollen – ich finde es schade, dass es immer noch Fälle wie »Remember Me« gibt, bei denen sich zunächst kein Publisher findet, weil der Hauptcharakter weiblich ist.

Stereotypen gibt es sowohl unter den weiblichen, als auch unter den männlichen Hauptcharakteren. Bei Protagonisten wie Raiden aus »Metal Gear Solid 2« oder dem neuen Dante, bekommen wir männliche Körperideale vorgesetzt, die zwar hübsch anzusehen, aber auch absolut sexualisiert sind. Sieht man sich neuere Box Arts an, tut sich beim Körperbau männlicher Protagonisten nicht viel. Auch die Körperhaltung und die Handhabung der Waffen wirkt stets gleich. Heath Hindman hat einen aufschlussreichen Artikel über Box Arts geschrieben und geht auf die Diskussionen um das Bioshock Infinite-Cover ein. Ken Levine, der Creative Director, begründet seine Entscheidung für das generische Cover, welches den Hauptcharakter mit einer Waffe zeigt, wie folgt:

We had to make that tradeoff in terms of where we were spending our marketing dollars. By the time you get to the store, or see an ad, the BioShock fan knows about the game. The money we’re spending on PR, the conversations with games journalists — that’s for the fans. For the people who aren’t informed, that’s who the box art is for.

Männer mit Waffen, um das Publikum anzusprechen, das auf Shooter steht. Verwerflich ist es nicht; nur, wenn die Entwickler und Publisher genug Geld verdienen, werden sie uns weiterhin mit Spielen beglücken. Eine weitere Frage ist, wie wichtig das Cover ist. Für alle, die sich vorher informieren und die Trailer ansehen, sicher weniger. Dennoch waren viele Bioshock-Fans, wegen des generischen Booker Covers, enttäuscht. Ganz unwichtig scheint es also nicht zu sein. Sieht man sich die oben aufgeführten Box Arts an, wirken sie alle sehr ähnlich. Würde ein Spiel mehr auffallen, wenn es ein abwechslungsreicheres Cover hätte?

Doch was bedeutet Abwechslung bei der Darstellung von Protagonisten? Wollen Gamer füllige Männer mit Bierbauch? Inwieweit spielen Körpermaßen eine Rolle? Ist diese abwechslungsreiche Darstellung ein Muss, wenn Spiele größeren Realismusanspruch bieten? David Gaider beantwortet diese Frage ganz simpel: egal, für welchen Weg man sich als Entwickler entscheidet, man muss wissen was man tut und warum. Um diese Fragen beantworten zu können, muss man sich trauen zu experimentieren. Was passiert zum Beispiel, wenn wir Romanzen in ein Spiel einbauen? Was passiert, wenn alle Charaktere bisexuell sind? Was passiert, wenn man einen weiblichen Protagonisten hat, der das ganze Spiel über nicht redet und auf dem Cover gar nicht abgebildet ist? Abwechslung, Vielfalt und Mut sind der Schlüssel in einer Branche, die nicht mehr sehr risikofreudig ist; in der viel Geld fließt und sehr viele Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Es bleibt zu hoffen, dass Abwechslung wieder mehr belohnt wird und man beim nächsten Besuch im Videospielladen positiv überrascht wird. Vielleicht wird der Protagonist in der Zukunft nicht alleine auf der Hülle eines Games zu sehen sein und das Cover schafft es, dem Betrachter mehr von der Story zu präsentieren.

Gastautorin: Linda
Verbringt seit ihrer Kindheit Zeit in virtuellen Welten, wollte wegen Lara Croft mal Archäologie studieren und kann den Tag kaum erwarten, an dem Videospiele es Filmen gleichtun und sich einen Platz in den Geisteswissenschaften erobern.

Linda bloggt auf Lost in Desart Wild

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