Bill Roper. Warren Spector. Will Wright. Peter Molyneux. Das sind nur ein paar der Namen, die fast jedem Gamer geläufig sind, der sich auch nur ein bisschen mit Spielkultur auskennt. Solche Menschen sind Stars der Spielebranche, die Mütter und Väter teilweise ganzer Genres und von Titeln, die Millionen von Menschen erreicht und bewegt haben.
Wenn man in journalistischer Tätigkeit auf einer Messe wie der gamescom 2012 unterwegs ist, läuft man zwangsläufig auch dem einen oder anderen Entwickler und kreativen Kopf über den Weg. Mir ist dabei aufgefallen, dass ich viele der Menschen, die mir begegnet sind, leider schlicht nicht kenne, obwohl sie doch teilweise an sehr bekannten und/oder großartigen Spielen mitgearbeitet haben. Oder wisst ihr etwa aus dem Stegreif, wie der Lead Designer von »Crysis 3«, »Dishonored« und Konsorten heißt? Eben. Ich machte mir Gedanken, wie es dazu gekommen ist. Die Spiele werden immer größer, kommen immer mehr in der Gesellschaft an, aber die menschliche Qualität des Ganzen scheint in der Öffentlichkeit mehr oder weniger in den Hintergrund gerückt zu sein. Sicher, man sieht Designer immer mal wieder in Trailern oder als Portraitfotos in Interviews, aber doch steht immer das Projekt im Mittelpunkt und nicht die Personen, die sich so anstrengen, Welten für uns zu schaffen, in denen wir uns austoben können. Ich empfand diese Entwicklung als bedauerlich, denn ich denke, dass diese Leute mehr Aufmerksamkeit verdienen. Lasst mich euch erzählen, wie ich dann am letzten Donnerstag überraschend den Faktor Mensch in einem hochinteressanten Gespräch wiedergefunden habe.
Ursprünglich für eine Vorführung seines neusten Projektes »Deponia 2: Chaos auf Deponia«, sollte ich am Messequartier von Daedalic Entertainment auf Jan Müller-Michaelis, den Creative Director des Adventure-Entwicklers. treffen. Durch eine kleine Unplanmäßigkeit sahen wir uns gebeten, kurz den Präsentationsraum aufzugeben und fanden uns dann in einem der Innenhöfe der Businessarea wieder. Wir plauderten dabei über viele Dinge – Adventures, Spiele allgemein, die Entstehung von Daedalic und den Stand der Industrie… Und auch Deponia.
“In Spielen geht es häufig um Konflikt.”, sagte mein Namensvetter mit dem Spitznamen “Poki” schließlich, als ich ihn auf den Genrewechsel vom Rollenspiel zum Adventure in Daedalics »Das schwarze Auge – Satinavs Ketten« ansprach. “Bei Rollenspielen ist dieser Konflikt häufig sehr von Äußerlichkeiten bestimmt. Du hast einen Helden und einen Gegner, den es zu besiegen gilt. Außerdem ist es dadurch häufig für einen normalen Menschen nicht nachvollziehbar, wie es ist in den Schuhen des eigenen Charakters zu stecken, weil diese Situationen so überhaupt nicht mit unserer eigenen Alltäglichkeit und Lebenswelt vergleichbar sind. Ich denke, dass Adventures, die nun einmal zu einem sehr großen Teil aus der Story bestehen, einem die Möglichkeit geben, den Konflikt nach innen zu verlagern. Das Individuum, das sich mit nicht beeinflussbaren Umständen konfrontiert sieht, mit teils drastischen Veränderungen oder auch komplettem Stillstand, und sich dann entscheiden muss, wie es damit umgeht. Schau dir Rufus an [den Protagonisten von Deponia, Amn. d. Red.]: Geboren und aufgewachsen auf einem Müllplaneten, auf dem sich alle Bewohner mehr oder minder mit den Gegebenheiten abgefunden haben, hast du einen Charakter, der mehr für sich will, entweder aus Neugier oder Unzufriedenheit. Es ist schwierig, wenn man als Mensch vor der Wahl steht, ob man entweder Sicherheit haben oder einem Traum folgen will – der Suche nach dem Elysium. Vor allem aber: Welche Leute in deinem Leben begleiten dich auch bis dahin und, viel wichtiger, was passiert, wenn sich alle deine Träume erfüllen?”
Bei diesen Worten fühlte ich mich auf eine sehr persönliche Art angesprochen. Ist es nicht das, was uns alle antreibt, die wir auf eine Art mit Spielen arbeiten wollen, den weltlichen Grund des Geldes mal außen vorgelassen? Ist es nicht das, warum wir entwickeln, zeichnen und komponieren? Schreiben, bloggen und fotografieren? Im Optimalfall tun wir diese Dinge, weil wir an das glauben, was wir tun und weil wir es mehr lieben als alles andere, diese Arbeit zu machen. Dem gegenüber steht auch immer das Ungewisse; die Möglichkeit zu scheitern. Wer, der mit Spielen arbeitet, hat sich nicht schon einmal anhören müssen, dass das doch nix für immer sein könne? Dass man doch lieber mal etwas vernünftiges, handfestes, bodenständiges lernen soll? Der Blogger, der sich selbst eine Stimme geben will, wirklich etwas zu sagen hat und hofft, wahrgenommen zu werden. Das Indie-Team, das mitten in der Entwicklung seines ersten Titels ist und unmöglich abschätzen kann, ob das eigene Baby ein Erfolg wird oder nicht…
“Als wir Daedalic gegründet haben”, meinte Poki im Anschluss, “wussten wir selbst noch nicht, ob das was wird. Wir wussten nur, dass es zumindest den Versuch wert war, unsere Vision und unsere Geschichten umzusetzen. Wir haben soviel daran gearbeitet und es ist schön, dass die Leute unsere Spiele mögen und wir die entsprechenden Rückmeldungen kriegen. Wegen all dieser Dinge steckt auch soviel von mir selbst in Rufus. Dieser Tatendrang, mehr zu wollen, sich ausleben zu wollen und sich nicht mit den Gegebenheiten abzufinden, eben die Suche nach Elysium, ist etwas, das ich selbst nur all zu gut kenne. Mich hat es getroffen, als einmal jemand schrieb, dass die Geschichte von »Deponia« abgedroschen sei und man das so schon so oft gehört hat… Aber das ist es ja gerade! All das… Das ist einer der ursprünglichsten Konflikte, die die Menschheit kennt und vor allem ist er nicht auflösbar: Was passiert, wenn ein getriebener Mensch, der mehr für sich will, am Ziel seiner Träume ankommt, was ja letztlich wieder denselben Stillstand bedeutet, wegen dessen man erst zu seiner Reise aufgebrochen ist? Und weil er nicht auflösbar und dabei trotzdem so nachvollziehbar ist, ist er es wert, dass man sich damit beschäftigt und ihn erzählt. Aufarbeitet.”
Man konnte ihm ansehen, wie wichtig ihm der gesamte Themenkomplex, seine Arbeit und seine Message sind. Für mich war es eines der interessantesten Zusammentreffen, die ich bis jetzt bei der Arbeit erlebt habe. Weil es menschlich und vor allem ehrlich war. Weil es mir großen Einblick in die Weltsicht von jemandem gegeben hat, der seinen Traum lebt und ihn wahrscheinlich auch deswegen nie austräumen wird. Zu wünschen wäre es ihm auf jeden Fall.
Vielen Dank für das schöne Gespräch, Poki!