Wer wissen will, wie ein Spiel aussieht, bei dem eine klare, durchgehende Vision gefehlt hat, der sollte unbedingt »Fear Effect: Sedna« spielen. Hier passt wirklich wenig zusammen: Die Story ist wirr und ohne Höhepunkte, die Spielmechaniken sind fast allesamt unausgereift und wahllos zusammengewürfelt, der Schwierigkeitsgrad schwankt massiv. Und dennoch habe ich das Spiel gerne gespielt – obwohl es mich regelmäßig zur Weißglut gebracht hat und ich geradezu froh bin, meine Switch nicht von der Wand kratzen zu müssen. Ein Review in Unzulänglichkeiten.
Unzulänglichkeit #1: Schleichen
Die Hauptspielmechanik von »Fear Effect: Sedna« ist Schleichen. Dafür hat man sich entschieden auf eine, nicht drehbare, isometrische Perspektive zu setzen. Das ist, was die Übersicht angeht, sinnvoll gewählt, hat aber auch Nachteile, nämlich nicht einsehbare Winkel. Zwar sind die Spielfiguren jederzeit erkennbar, aber eben auch nur diese. Allzu oft enden Sichtkegel von Gegnern im nicht sichtbaren Bereich und erschweren es mir als Spieler abzuschätzen, ob ein Vorbeischleichen möglich ist oder nicht.
Man merkt »Fear Effect: Sedna« außerdem an, dass das Schleichen nicht zu Ende gedacht wurde. Eine der wichtigsten Mechaniken eines Schleichspiels, nämlich erlegte Gegner verstecken zu können, existiert schlicht und ergreifend nicht – es lässt sich an vielen Stellen deswegen gar nicht erst vermeiden, dass Leichen entdeckt werden.
Zu guter Letzt gibt es Feinde, an die ich mich gar nicht erst heranschleichen kann. Diese stehen dann beispielsweise in Ecken mit starrem Sichtkegel der alle möglichen Wege blockiert. Ob ich will oder nicht zwingt mich das Spiel hier oftmals zu Feuergefechten, denn nicht immer habe ich Charaktere dabei, die in der Lage sind Gegner abzulenken. Feuergefechte sind auch dann angesagt, wenn ich entdeckt werde – aber irgendwie auch nicht immer. Manchmal gibt es direkt den Game Over Screen. Wann was gilt, ist dabei oftmals nicht klar.
All das ist sehr schade, denn prinzipiell macht das Schleichen in »Fear Effect: Sedna« durchaus Spaß. In guten Momenten blitzt die Finesse eines „Shadow Tactics“ durch – nur um mich kurze Zeit später mit den eben genannten Mäkeln zu nerven. Das Spiel hätte gut daran getan, seine Spielmechanik aufs Schleichen zu fokussieren und dieses ordentlich gepolished ins Spiel zu integrieren.
Unzulänglichkeit #2: Feuergefechte
Neben dem Schleichen wirft mich das Spiel, wie schon angedeutet, regelmäßig in Feuergefechte. Sei es, weil ich mal wieder zu unfähig zum Schleichen war, das Spiel mir keine Möglichkeit gelassen hat, den Gegner schleichend zu erledigen und manchmal auch, weil »Fear Effect: Sedna« explizit möchte, dass ich ein Feuergefecht austrage. Prinzipiell spricht nichts dagegen, nur ist die Steuerung darauf wirklich überhaupt nicht ausgelegt.
Einerseits ist sie viel zu behäbig, weil einzelne Aktionen zu lange dauern und einen zu langen Cooldown haben, andererseits trete ich die meisten Feuergefechte mit mehreren Protagonisten gleichzeitig an und die Kontrolle mehrerer Charaktere in einer stressigen Situation ist ein Graus. Es gibt zwar, ähnlich wie in „Shadow Tactics“, einen Shadow Modus, der ist aber fürs Schleichen gedacht, und so verkommen die Feuergefechte zu anstrengendem Button-Mashing, in dem sich schießen, rollen und eigene Charaktere wiederbeleben abwechseln. Das Spiel hätte gut daran getan, die Schießereien entweder komplett wegzulassen und sich nur aufs Schleichen zu konzentrieren oder diese wenigstens im rundenbasierten Modus umzusetzen.
Unzulänglichkeit #3: Bosskämpfe
Eines vorweg: Ich mag Bosskämpfe fast nie. Viel zu oft stören sie meinen Spielfluss und haben spielmechanisch mit dem Rest des Spiels wenig bis überhaupt nichts zu tun. »Fear Effect: Sedna« schafft es mit Bravour fast jeden Bosskampf mit beiden Eigenschaften zu versehen.
Der mit Abstand schlimmste Bosskampf ist dabei direkt der erste im Spiel, der mich nach etwa zwei Stunden Spielzeit komplett auf dem falschen Fuß erwischt, denn dieser verlangt auf einmal eine komplett andere Spielweise von mir: Habe ich bis zu diesem Zeitpunkt das Spiel hauptsächlich schleichend verbracht, so soll ich nun auf einmal ein längeres Feuergefecht gegen einen viel zu starken Gegner durchführen, der auch noch erheblich schneller ist als meine Spielfigur. Dazu kommt, dass ich das Level zweimal neustarten muss, bis ich für den Bosskampf eine einigermaßen brauchbare Ausgangslage habe, denn es ist mit einem zufällig spawnenden Gegner ausgestattet ist, deren Angriffe sich manchmal nicht abwehren lassen, weil die Steuerung zu behäbig ist. Der erste Bossgegner ist eine Frustprüfung ohnegleichen, weil ich viel zu oft sterbe – weil das Spiel auf diesen Kampf überhaupt nicht ausgelegt ist.
»Fear Effect: Sedna« hat immer wieder Bosskämpfe zwischendurch, die in aller Regel komplett ohne irgendeine Ankündigung um die Ecke tanzen. Bis auf einen einzigen Fall bekämpfe ich dabei grundsätzlich Gegner, die im Spiel vorher maximal namentlich erwähnt wurden. Beim Endgegner erfahre ich sogar erst zum Schluss, dass es sich hier um den Antagonisten handelt. Weder taucht die Figur vorher auf, noch spielt sie irgendeine relevante Rolle für die Handlung. Der Kampf ist mir damit komplett egal und im Übrigen auch noch, wie jeder andere Bosskampf, erheblich einfacher als der Kampf aus dem vorherigen Absatz. Ich sterbe beim Endkampf nicht einmal und habe ihn nach nicht mal fünf Minuten absolviert. Das Spiel hätte gut daran getan, die Bosskämpfe auf ein Minimum zu reduzieren. Die Spielmechanik ist nicht darauf ausgelegt und ohne ordentliche Etablierung lassen mich die Kämpfe emotional kalt.
Unzulänglichkeit: #4: Untererklärung und schlechte UX
Der Begriff User Experience, kurz UX, beschreibt, vereinfach gesagt, wie intuitiv bedienbar ein Produkt gestaltet ist. »Fear Effect: Sedna« hat bei der UX starken Verbesserungsbedarf, was vor allem an zwei Punkten liegt: Unzureichende Erklärung und nicht intuitiv erfassbare Beschriftungen und Symbole.
So hat beispielsweise jeder der 5 spielbaren Charaktere Spezialfähigkeiten. Doch welche das sind, erklärt das Spiel an keiner Stelle. Auch lässt sich das anhand der Icons, die keinen Beschreibungstext bieten, nicht erfassen. Es gilt somit die Devise „auswählen und schauen was passiert“, was bei mir dazu geführt hat, dass ich manche Fähigkeiten erst spät im Spiel für mich entdeckt habe – und manche gleich kein einziges Mal die gesamte Spieldauer über genutzt habe.
Diese Untererklärung setzt sich bei den Rätseln fort. Die meisten lassen sich nur durch trial & error lösen, der Lösungsweg ist ohne vorheriges Scheitern nicht erfassbar. Was besonders frustrierend ist, weil man dann jedes Mal eine Todesanimation, einen Game Over Bildschirm und dann wieder den Ladebildschirm zu Gesicht bekommt. Und muss dann stellenweise auch noch wieder paar Meter laufen, um das Rätsel zu beginnen.
Der größte UX-Fail findet aber kurz vor Schluss statt. Das Spiel erwartet von mir eine Wahl zwischen zwei Möglichkeiten, schafft es aber diese visuell derart schlecht darzustellen, dass nicht klar ist, welche Wahl nun welche Auswirkung hat. In meinem Fall führte das tatsächlich zur verkehrten Entscheidung.
Unzulänglichkeit #5: Schwierigkeitsgrad und Checkpunkte
Wie bereits erwähnt haben die Bosskämpfe einen stark schwankenden Schwierigkeitsgrad, und leider gilt diese Tatsache für das gesamte Spiel. So gibt es einerseits Momente, an denen ich mir regelrecht die Zähne ausbeiße – nur um mich dann im nächsten Level wie auf einem regenbogenfarbenen Einhorn zu fühlen, das mühelos durch die Welt galoppiert.
All das ist direkte Folge der unfertigen Spielmechanik. Die Stellen, die zu einfach sind möchten in der Regel von mir, dass ich schleiche, aber einfach alles niederballern ist dann auch ok, weil das Level gerade eh nur so mit Healthpacks um sich wirft. Die Stellen, die zu schwer (oder einfach nur nervig) sind, sind es fast immer deswegen, weil die Gegner viel zu stark und für die Steuerung zu agil sind oder weil ein einzelner Fehler sofort den Game Over bedeutet. Ein einem Fall hing ich sogar aufgrund eines Spielfehlers minutenlang fest.
Im letzten Fall kam dann noch das Checkpunkt-System als Ärgernis hinzu, denn die Punkte sind wirklich oft schlecht gesetzt und frei speichern darf ich nicht. Dadurch muss ich dieselben Wege immer wieder laufen und „darf“ mir Cutscenes gelegentlich mehrfach anschauen. In Bosskämpfen mit mehreren Phasen wird zwischendurch selbstverständlich nicht gespeichert.
Warum dann überhaupt spielen?
Obwohl ich recht ausufernd dargestellt habe, was mich alles an »Fear Effect: Sedna« stört, habe ich es die 10 Stunden, die es etwa dauert, trotzdem gerne gespielt. Man könnte nun erwarten, dass ich an dieser Stelle die fesselnde Handlung in den Himmel lobe, aber weit gefehlt: Die Handlung ist wirr, bietet keinerlei Höhepunkte und die Charaktere bleiben blass und mir im deswegen auch größtenteils egal. Vieles hat mich wirklich geärgert, gleichwohl konnte ich die Ansätze erkennen und wertschätzen, denn trotz aller Kritik ist »Fear Effect: Sedna« ein gutes Spiel – kein sehr gutes, aber eben doch ein gutes, dem die durchgehende Vision fehlt.
Dazu kommt, dass mich Artdesign und Inszenierung angesprochen und durchaus motiviert haben weiterzuspielen, denn so sehr die Charaktere von der Erzählung her blass bleiben, so sehr vermittelt immerhin das Figurendesign und die manchmal melancholische Inszenierung gewisse Charakterzüge ganz gut. Das Spiel hat durch Design und Inszenierung durchaus einen gewissen Coolnessfaktor, der sicherlich nicht jedermanns Sache ist, mir aber wirklich gut gefallen hat.
»Fear Effect: Sedna« ist die Fortsetzung einer Reihe von zwei PlayStation Spielen aus den 2000er Jahren. Die Spiele habe ich damals nicht gespielt und so freue ich mich tatsächlich darauf, dass Sushee bereits eine Neuauflage des ersten Teils angekündigt hat – und hoffe, dass sie diesmal ihre Vision konsequenter durchziehen.
Transparenz-Hinweis: »Fear Effect: Sedna« wurde uns von Sushee per Nintendo Switch eShop Key zur Verfügung gestellt.