Aufmerksame Leser werden sich vielleicht erinnern, dass ich »Ready Player One«, Ernest Clines Debütroman, ganz gerne mochte. Aus diesem Grund freute ich mich auch auf sein zweites Werk »Armada«, das im Juli erschien und welches ich schon eine kleine Ewigkeit vorbestellt hatte. Ich hatte es schon fast wieder vergessen, aber vorbestellte Bücher laden sich am Erscheinungstag ja automatisch auf den kindle – what a time to be alive.
Highschool-Student, Halbwaise und Videospiel-Fan Zachary Ulysses Lightman, kurz “Zack”, zweifelt an seinem Verstand, als er außerhalb seiner Schule ein Raumschiff aus seinem Lieblings-Game “Armada” sieht. Er wird doch nicht verrückt werden, wie sein Vater vor seinem Tod? Überall Verschwörungen sehen? Glauben, das Militär würde die Bürger mit Hilfe von Videogames und Filmen auf Invasionen von Außerirdischen vorbereiten und Kämpfer trainieren? Blödsinn. Doch als dann ein Shuttle der EDA, der Earth Defense Alliance aus seinem Spiel, vor seiner Schule landet und ihn, einen der besten Armada-Spieler weltweit, rekrutiert, ändert sich für Zack alles. Seine Videospiele sind plötzlich Realität geworden, sogar das Shuttle sieht exakt so aus, wie in Armada. Kurz darauf wird er darüber aufgeklärt, dass sein Vater zwar paranoid war, aber Recht hatte. Mit allem. Sämtliche Sci-Fi-Filme hatten nur den Zweck, die Menschheit auf eine Alien-Invasion vorzubereiten, Videospiele dienten seit ihrer Erfindung dazu, junge Menschen zum Kampf auszubilden. Das gipfelt in der Entwicklung Armadas, wo die Spieler mit VR-Brillen Drohnen steuern, die es tatsächlich gibt und genau so gesteuert werden. Bereits in den 70ern kam es zum Erstkontakt zwischen Menschen und Europarieanern? Europanern? Also die Bewohner Europas, eines Jupiter-Mondes. (“Europans” im Original) Seitdem zittert die Erde vor der außerirdischen Bedrohung, denn der erste Kontakt lief nicht friedlich ab – auf eine kilometergroße Swastika auf der Oberfläche Europas folgten zahlreiche Videos, zusammengestellt aus Erd-Filmen, die nur eins sagten: “Wir werden kommen und euch töten” Dafür lassen sie sich viel Zeit und die Erdlinge nutzen diese, um aus Alientechnologie Waffen zu bauen und die Menschheit mit Hilfe von Videospielen auf den Kampf vorzubereiten. Und gerade Zack Lightman soll einer der wichtigsten Kämpfer im kommenden Krieg sein, ein Krieg, der nach über 40 Jahren nun kurz bevor steht.
Wer Ernest Cline kennt, kann sich denken, was ihn beim Lesen von »Armada« erwartet. Referenzen, Zitate und Anspielungen, jede Menge davon. Meiner Meinung nach viel zu viele. Statt sich vielleicht auf Charakterentwicklung oder Dialoge zu konzentrieren, versucht Cline so viele Zitate wie möglich in jeden einzelnen Satz zu stecken. Zack Lightman ist ein Geek, verstehen wir. Besessen von den Videospielen, die sein Vater geliebt hat, besessen von den Filmen, der Musik – alles verständlich. Nur wieso jede einzelne Person genau so spricht wie er, das kann ich nicht nachvollziehen. Selbst Zacks Mutter spielt World of Warcraft und begrüßt ihn mit Herr-der-Ringe-Zitaten. Ja sogar der Chinese, der kein Wort Deutsch spricht, zitiert “Sie leben” und alle stimmen ein. Selbst bei Filmen, die ich kenne, die ich ein Dutzend Mal gesehen habe, bin ich nicht so zitatfest wie jede einzelne Person in diesem Buch. Jede! Jeder kennt Star Wars auswendig, aber nicht nur das, auch jeden noch so kleinen Nischenfilm. Das ist zum Teil nervig und wirkt unrealistisch, was aber richtig frustriert, sind die zahllosen Zitate und Referenzen, die man nicht erkennt. Schlimmer noch als die zu vielen Referenzen fand ich, dass die ganze Story selbst eine Mischung aus »Ender’s Game« und »The Last Starfighter« ist. Was mir nur auffiel (letzteres kannte ich gar nicht), weil es der Protagonist selbst erwähnt. Alle Figuren im Buch erkennen sämtliche Referenzen und das ist, neben ihren sagenhaften Videospiel-Skills, ihre einzige Charakterisierung. Da wäre die heiße Hackerfreundin, die Mutter, die Freunde… alle Leute, die Zack kennt oder trifft, beschränken sich in ihrer Persönlichkeit auf genau zwei Dinge: kennt alle Filme + kann super Videogames spielen. Ansonsten bleiben die Figuren flach wie eine Pixelfigur in einem 80er-Jahre-Spiel und so kann der Leser kaum eine emotionale Bindung zu irgendwem aufbauen, was die Spannung auf Null reduziert. Das sollte in einer Geschichte, in der die gesamte Menschheit von übermächtigen Aliens bedroht wird, nicht passieren. Das gesamte Ende des Buches wirkt dann nur noch lieblos hingerotzt, als habe Cline entweder keine Lust, oder keine Ideen mehr gehabt.
Die Grundidee von Armada war schon nicht großartig. Ausgegrenzte Nerds müssen die Welt retten, nachdem es zu einer Bedrohung kommt, die sie aufgrund ihrer einzigen Fähigkeit – nämlich Videospiele zu spielen – zu Helden macht. Die Umsetzung hätte das retten können, sympathische Figuren und gute Dialoge können können auch eine “cheesy Story” noch interessant machen, das zeigen viele Filme aus den von Cline so vergötterten 80ern. Das zündet hier leider gar nicht und so bleibt alles flach, eindimensional und wenig mitreißend. Wo »Ready Player One« trotz seiner wikipedia-artigen Auflistung aller möglichen Fakten noch wirklich unterhaltsam zu lesen war und vor allem auch Sinn ergab – es passte einfach zur Story, dass hier jeder ein Experte in Sachen Retrogames war – wirkt »Armada« wie eine lieblose Auflistung von Zitaten, wo der Autor sich selbst auf die Schulter klopft, weil er all diese Filme und Spiele kennt. Bleibt zu hoffen, dass die Verfilmung besser wird, vielleicht erbarmt sich ja, wie bei Ready Player One, Altmeister Steven Spielberg und rettet diese hölzerne Ode an die 80er Jahre.