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Der Kampf gegen unsichtbare Zahlen: Football Manager 2013

Jedes Jahr das gleiche Spiel: Es wird Herbst, die neue Fußball-Saison ist in vollem Gange, und nachdem das Transferfenster geschlossen wurde, wird man als Fan des runden Leders mit den neuesten Spielen, Engines und vor allem Datenbanken beworfen. Dies geschieht gerade in Deutschland gerne unter vorherrschender Dominanz der werten Damen und Herren mit dem Doppelvokal.

Frisch erschienen: Der Football Manager 2013

Doch auch wenn es hierzulande lizenzbedingt nur wenig Konkurrenz im Bereich der Fußball Manager-Simulatoren gibt, erscheint fernab unserer Grenzen Jahr für Jahr ein weiterer Manager, der auch in Deutschland eine eigene aktive Fangemeinde hat: Der »Football Manager 2013« von Sports Interactive / Sega. Ein schwieriges Genre, welches nur unter sehr speziellen Fangruppen größtmöglichen Spielspaß entfachen dürfte. Wie viel Spaß macht also der Weg zu Ruhm, Ehre und Titeln? Let’s take a look!

Einstieg gestaltet sich schwierig

Wer noch niemals ernsthaft einen der Vorgänger gespielt hat, wird sich mit dem ersten Spielstart vergleichsweise schwer tun. Noch bevor man sich im eigentlichen Spiel befindet, muss man sich schon mit Länderauswahl, Ligentiefe und sogar der Datenbankgröße auseinandersetzen. Jemand, der in den vergangenen Jahren keinen Manager dieser Art vor sich hatte und/oder wenig bis kein technisches Verständnis für das Ressourcen-Management eines solchen Zahlenmonsters mitbringt, dürfte somit schon in den ersten Auswahlbildschirmen seine Probleme haben.

„Und jetzt?“

Hat man dann alles eingestellt und hat sich für den richtigen Verein entschieden, landet man dann auch unvermittelt im Hauptmenü. Dieses hat optisch leider den Charme einer Steuererklärung an einem Samstagabend. Zwar gibt es eine fensterbasierte Hilfe, diese vermag es aber auch nicht, wesentlich schneller hinter die geforderten Abläufe zu steigen. Selbst als Fußball-Enthusiast fühlt man sich etwas verloren. Zwar kommt das mit den Namen der Spieler alles irgendwie hin, jedoch werden Logos der Vereine, eine funktionierende deutsche Nationalmannschaft oder überhaupt eine deutsche Sprachdatei gar nicht mitgeliefert. Diese Umstände lassen sich aber immerhin beheben, wenn man die richtigen Leute kennt.

Unsichtbare Zahlen und die richtige Taktik

Darstellung des spanischen Torhüters “Manuel Almunia”.

Faszinierend am Football Manager ist, dass insbesondere englische Vereine seit Jahren versuchen, möglichst als erster Zugriff auf die Datenbanken dieses Titels zu erhalten. Die Abteilung Research von Sports Interactive steht in dem Ruf, relativ treffsicher die mögliche Entwicklung minderjähriger Talente vorherzusagen. Eine willkommene Ergänzung für professionell arbeitende Scouting-Netzwerke.
Genau hier liegt auch die große Stärke dieses Titels. Es wird ein unfassbar großer Aufwand betrieben, um eine Spieltiefe wie sonst kein anderer Titel in dieser Branche simulieren zu können. Als Spieler vor dem Bildschirm merkt man davon jedoch zunächst wenig. Die Spieler mögen im Hintergrund noch so originalgetreu durch Zahlen abgebildet sein, aber im eigentlichen Spiel wird bewusst darauf verzichtet, den Spieler mit unnötig vielen Zahlen zu bombardieren.

Ist es sonst üblich, durch einen Wert wie Gesamtstärke einen vergleichbaren Wert zu haben, nach dem man die eigenen Spieler ungefähr einschätzen kann, so kann man dieses nun nur durch die Einschätzung von Attributen wie Passen, Schnelligkeit oder Treffsicherheit – um nur wenige zu nennen.

In diesem Punkt wird versucht, ein gewisses Maß an Realität einzuhalten. Der Trainer des deutschen Meisters kann auch nicht zwischen zwei Werten vergleichen und anhand dieser entscheiden, wer letztlich die Position des Spielmachers übernimmt. Da kommt es darauf an, wer in welchen Situationen welche Entscheidungen trifft und wie diese technisch umgesetzt werden. Nicht umsonst gibt es unglaublich viele Spielertypen. Fußballer sind ja auch nur Menschen (Das Phrasenschwein freut sich).
Für diese Art des Spielens muss man zunächst mal ein Näschen bekommen. Dann gilt es, möglichst vor Saisonbeginn durch zahlreiche Testspiele eine Taktik einspielen zu lassen und die Spieler entsprechend ihrer Fähigkeiten zur Entfaltung kommen zu lassen. Die beste Taktik nützt einfach nichts, wenn man nicht das passende Spielermaterial hat. So gilt es, die richtigen eigenen Spieler zu Schlüsselspielern zu erklären und passende Kräfte um sie herum in einer homogenen taktischen Ausrichtung zu finden. Dies ist natürlich alles andere als einfach.

Das Spiel denkt mit

Über die Jahre hat sich ein gewisses Strickmuster bei mir eingestellt. Wenn ich Spiele dieser Art spiele, heißt „Taktik erarbeiten“ für mich: Wie verarsche ich die Engine am besten?
Nun, hier stellt mir das Spiel ein Bein nach dem anderen. Eine Taktik mag für kurze Zeit ganz hervorragend funktionieren, aber irgendwann ist jeder Überraschungsmoment aufgebraucht. Spätestens ein halbes Jahr nach dem letzten Aufeinandertreffen gegen denselben Verein stellt sich der Gegner ganz anders (und meist auch besser) auf die Taktik ein, wenn man diese gar nicht weiter anpasst. Beide Vereine entwickeln sich in 6 Monaten weiter, also müssen diese sich auch neu aufeinander einstellen. Logisch.

Der Verein bin ich. Nicht.

Wird “Carl Dickinson” seinen Vertrag verlängern?

Nebenher hat man natürlich auch noch weitere alltägliche Aufgaben eines Managers zu erfüllen. So stapeln sich fast täglich wichtige E-Mails, die es zu beantworten gilt. Berater wollen ihre Schützlinge im Verein unterbringen, Scouts geben (auch ungefragt) ihre Meinungen zu Spielern auf der ganzen Welt ab und vor Saisonbeginn kann man sogar bestimmen, ob man das eigene Spielfeld innerhalb der vorgeschriebenen Toleranzen größer oder kleiner machen möchte.
Wenn man dann auch dem letzten talentierten B-Jugendlichen einen Vorvertrag geben soll, freut man sich sehr über die weiteren Angestellten des Vereins, die einem mit (nicht zwangsläufig bestem) Rat und Tat zur Seite stehen und manche Aufgaben auf Anfrage gerne übernehmen.
Auch hier ist eine weitere Tendenz zu erkennen: Jederzeit wird deutlich, dass man stets ein Angestellter ist. Im Vergleich zu anderen Managern ist man hier nicht durchgehend für sämtliche Aufgaben verantwortlich. Konkret: Nach englischem Vorbild hat man die Aufgabe, als sogenannter Team-Manager zu fungieren. Ähnlich also, wie ein gewisser Felix Magath in Deutschland, der in Wolfsburg und auf Schalke die Rolle des Trainers sowie des Sportdirektors inne hatte. Aufgaben des Vorstands bleiben Aufgaben des Vorstands und ist dieser mit der Erfüllung der an den Manager gestellten Aufgaben unzufrieden, hagelt es auch schnell Entlassungen.

httpv://www.youtube.com/watch?v=PRQiCNdSGSg

Der »Football Manager 2013« hat es nicht leicht. Allein für die Liebe zum Genre wird man oft mit einem Blick bestehend aus Beileid und Ratlosigkeit bedacht und die Konkurrenz ist groß. Selbst diejenigen, die sich im Fußball wohlfühlen, werden an diesem Titel noch ordentlich zu knabbern haben. Klar, der Detailtiefe sind nur wenige Grenzen gesetzt und der Simulationsgrad ist erschreckend hoch. Man mag fast darüber nachdenken, ob der Titel nicht in die noch seltenere Kategorie der „Serious Games“ eingeordnet werden sollte. Wer sich an dieses Zahlenmonster herantraut, wird jedenfalls nicht „mal eben“ einige Saisons durchspielen. Wer es nicht zu detailreich mag, kann immerhin auf einen entschlackten Classic Mode zurückgreifen. Der wahre Fan konkurriert hingegen mit anderen Managern im mitgelieferten Online-Modus.
Eine Kaufempfehlung spreche ich gerne aus, aber nur für wirklich Fußball-Bekloppte.

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