Das Ende vom 1337, das Ende des Monats. Dennis hat den letzten Monat im Spagat zwischen Videospiel und realem Leben verbracht. Hier schreibt er von dem, was ihm in seinen beiden Leben passiert ist, wie sich Lehren aus der virtuellen Welt in der Echtwelt anwenden lassen und warum Gefühle die man mit seinen Spielen erlebt genau so real sind wie die zwischen Menschen. [Anmerkung: Wenn wir die Einleitung nicht bald ändern, trifft die irgendwann noch zu. Das will doch keiner. Bitte ändern.]
Ich sitze auf dem Hamburger Berg neben irgendeinem Tinder-Match und blicke auf meine durchgelatschten Chucks. Ihr Stoff ist getränkt von Schweiß, Bier und Zigarettenasche. Der Bass pumpt aus den Läden um mich herum, ich werde ständig angerempelt und neben mir wird sich angeregt unterhalten. Doch ich bin mit meinen Gedanken mal wieder ganz woanders, die einzige Verbindung zur Realität ist die Musik, die meinen Kopf nicken und meinen Fuß wippen lässt. Im Takt der Musik schreibe ich in Gedanken Geschichten und male mir spannende Begegnungen aus, die ich hier niemals finden werde.
Es ist 4 Uhr morgens, ich schüttel den Musikstudenten ab, der immer noch versucht mir klar zu machen wie geil er doch ist, lasse mein Tinder-Match zurück, krame meine Kopfhörer aus der Tasche und werde vom Beat über die Reeperbahn getragen. Die gleichen Punks wie immer, wollen bei mir mal wieder Zigaretten und Geld schnorren, aber heute nehme ich die Kopfhörer nicht mehr ab.Ich bin in meiner eigenen Welt und werfe lediglich die erstbeste Münze aus meiner Hosentasche in einen Becher aus dem verdächtig viel Flüssigkeit schwappt.
Als ich es mir in der Bahn gemütlich gemacht habe und mich frage wie hoch wohl diesmal die Chancen sind auf der Fahrt einzuschlafen, tippt mir ein älterer Herr mit gezwirbeltem Bart und violettem Anzug auf die Schulter. Ich versuche es zu ignorieren, aber er macht es noch einmal, so dass ich mich wieder aufrecht setze, die Kopfhörer vom Kopf gleiten lasse.
“Fährt diese Bahn nach Barmbek?”
“Jo.”
“Ich dachte schon ich wäre in die falsche gestiegen.”
“Das ist nicht möglich.”
“Wieso?”
“Das ist die U3, die fährt immer nach Barmbek.”
“Okay … … … … … Meine Frau hat mich rausgeworfen, ich fahre sonst nicht mit der Bahn.”
Er hat sich gegenüber von mir auf den Sitz fallen lassen. Die Kopfhörer sind zum Halswärmer verkommen, während ich mir die nächsten 20 Minuten seine Lebensgeschichte anhörte.
Zuhause angekommen ist die Müdigkeit verflogen, wie immer wenn ich eigentlich schlafen will. Aber so habe ich zumindest auch mal Zeit für Videospiele.
»The Witcher 3« startet und zu meiner Freude finde ich noch ein offenes Bier im Wohnzimmer. In meiner virtuellen Welt bin ich ein Außenseiter.
Ich treffe mich mit Yennefer, einer wunderschönen Frau, die ich vorher ewig gesucht habe. Ich möchte sie nicht einfach so da lassen, aber ich muss los. Auf meinem Weg treffe ich auf den blutigen Baron, ein Mann mit Frauenproblemen. Ich mache mich daran ihm zu helfen. Ein neues Abenteuer.
Selten war ich in letzter Zeit so gefesselt wie beim Spielen von The Witcher 3: Wild Hunt. Die Geschichte wird mit erstaunlicher Tiefe erzählt und auch Erlebnisse abseits des eigentlichen Abenteuers überzeugen mit Details und ausgearbeiteten Charakteren in einer lebendigen Welt. Man erlebt lediglich die Geschichte von Geralt, der eben nicht der allseits beliebte Weltenretter ist, sondern auch nur eine eher unbeliebte Person, die in dieser Welt zurecht kommen muss und versucht sie ein Stückchen zu verbessern.
Jeden Tag eröffnen sich uns hunderte Möglichkeiten neue Geschichten und Abenteuer zu erleben, aber trotzdem ist es für uns einladender diesen aus dem Weg zu gehen und in Videospielen den Geschichten zu folgen, die andere für uns geschrieben haben.
Wieso?
Ganz einfach: das echte Leben hat keine Quicksave-Funktion. Und hat nur ein Leben.
Sich deswegen vielen Möglichkeiten zu verschließen und immer nur den sicheren Weg zu gehen ist dann doch auch sehr feige.
Da stimme ich dir uneingeschränkt zu. Und manchmal kommt man ja wirklich in Situationen, wo man sich genau zwischen zwei Wegen entscheiden muss. Und nicht fliehen kann.
Und wie geht es jetzt weiter?
Egal ob Leben oder Witcher…aber das scheint mir beides ein wenig unvollendet!
Geht das jetzt wohl bei euch als “Mein Leben mit dem Witcher” in Serie?
Ich bin erst 22. Es scheint mir etwas früh die Sache mit dem Leben zu beenden.
Spannende Erfahrung. Aber die Realität ist auch anstrengend und dann mal in die virtuelle Welt zu entfliehen ist sicher keine Fehler, du liest ja auch kein Buch und sagst, mh doof jetzt hätte ich auch mit einem Menschen reden können, oder? ;)
Aber klar ist es toll sich echte und vorgeschriebene Geschichten zu erzählen oder erzählen zu lassen :)
Vielleicht ist das so ne Sache der Balance