Nach dem Release von »Dark Souls« auf Playstation 3 und XBox 360 im Jahr 2011 und der Veröffentlichung der erweiterten “Prepare to die”-Edition auf dem PC 2012 erscheint nun »Dark Souls Remastered« auf Playstation 4, XBox One, Nintendo Switch und dem PC. Trotz angestauber Technik hat das Spiel auch 2018 nichts von seiner Faszination verloren.
Die Reise beginnt
Ich möchte eine Geschichte erzählen: Als kleiner Junge – ich war vielleicht acht Jahre alt – war ich glücklicher Besitzer eines GameBoy. Es war Anfang der 90er und was mir bezüglich Videospielen bis dahin begegnet war, waren lineare Titel wie Pacman, Super Mario Land oder Tetris. Dann entdeckte ich ein Spiel, das meine Sicht auf das Medium für immer verändern sollte: Es war »The Legend of Zelda: Link’s Awakening«.
Zelda war fantastisch: Statt einzelner Level zu spielen konnte ich eine komplette Insel selbstständig erforschen. Es gab Dörfer, in denen lebten Menschen, mit denen man sich unterhalten konnte. In den Wäldern streiften Monster umher und in den Höhlen gab es Schätze zu finden. Vor allem aber war man frei: Man konnte gehen wohin man wollte. Zur damaligen Zeit war das für mich eine völlig neuartige Erfahrung.
Natürlich traf man trotzdem häufig auf Hindernisse, etwa Felsen, die man noch nicht anheben konnte. Das hat mich jedoch nicht gestört, im Gegenteil: Es hat das Spiel spannender gemacht. Jedes Hindernis versprach, dass ich es irgendwann überwinden würde und das dahinter noch weitere Wunder darauf warteten, von mir entdeckt zu werden. Ich wollte sehen, das war mein Antrieb und er ist es bis heute, wenn ich Videospiele spiele.
Manchmal geschah etwas, dass mit zum spannendsten gehörte, was mir auf Zeldas Insel passieren konnte: Ich verirrte mich. Ich entdeckte Orte, an denen ich eigentlich noch nichts verloren hatte. Monster, die ich nicht kannte, Gegenden, die mir fremd waren. Ich stellte mir vor, dass ich an einen Ort gelangt sei, den niemals jemand vor mir zu Gesicht bekommen hatte. Ich erinnere mich bis heute an das Gefühl, das damit einher ging: Ein Kribbeln im Bauch. Eine innere Unruhe. Nervosität. Und Angst. Angst um meinen Spielfortschritt. Angst, diesen geheimnisvollen Ort nach dem Bildschirmtod nicht wiederentdecken zu können. Es ist diese Mischung aus Unruhe und Neugierde, die mich für die nächsten Jahre an Videospiele fesselt.
Auftritt: Dark Souls
Zwanzig Jahre später: Vorsichtig, mir erhobenem Schild, erkunde ich die Ruinen einer entrückten Welt. So weit bin ich noch nie gekommen. Hinter jeder Ecke des halb-verfallenen Gemäuers lauern untote Wächter, die mir bei der ersten sich bietenden Gelegenheit meine mühsam erkämpften Seelen entreißen werden. Meine Lebensenergie geht rasch zu Neige, meine Heiltränke sind beinahe verbraucht. Wo ist nur das rettende Leuchtfeuer, an dem ich die kostbaren Seelen in dringend notwendige Levelaufstiege umwandeln kann? Die moosbewachsene Steintreppe in den Keller hinunter? Oder den Gang entlang, wo ich bereits im Halbschatten einen untoten Ritter in schwerer Rüstung erahnen kann?
Plötzlich ist es wieder da. Ein Gefühl, das ich längst verloren zu haben glaubte: Ein Kribbeln im Bauch. Innere Unruhe. Nervosität. Und Angst. Angst um meinen Spielfortschritt. Wie bin ich überhaupt hier her gelangt? Was, wenn ich nie wieder hier hin finde? Es ist das japanische Action-Rollenspiel »Dark Souls«, das mich emotional unvermittelt zurückversetzt in mein achtjähriges Ich. Obwohl ich mich bereits mehr als zwanzig Jahren mit dem Medium beschäftige, fühle ich mich wie der kleine Junge, der Videospiele gerade erst entdeckt.
Denn in »Dark Souls« bin ich, fast wie in als Kind in Zelda, verloren in einer anderen Welt. Mit nichts als dem Hinweis ausgestattet, ich möge die Glocke der Erweckung läuten um das Schicksal der Untoten zu entschlüsseln, entlässt mich das Spiel in das Königreich Lordran. Niemand nimmt mich an die Hand und zeigt mir die Sehenswürdigkeiten der Spielwelt, kein Tagebuch fordert das Erledigen von Quests: Hier bin ich allein und auf mich gestellt. Es geht nur um mich und die Fremde, darum, die Bestie Lordran kennenzulernen und sie zu unterwerfen.
Die Bestie Lordran
Und was für eine Bestie das ist: Lordran ist ein ein Irrgarten aus schwarzen Tunneln und verfallenen Gemäuern, aus verschlossenen Türen, versteckten Pfaden und unerwarteten Abkürzungen. Die Regionen der Spielwelt sind aufeinander und ineinander geschachtelt, verschlungen wie Gedärme und durch geheime Gänge miteinander verflochten. Sich zu verirren, gehört zum Kernelement von »Dark Souls«. Eine Karte existiert nicht, doch mit der Zeit prägt man sich die Grundrisse der Welt ein, erinnert sich an geöffnete Tore und aktivierte Fahrstühle. So macht man sich Lordran Stück für Stück zu Eigen, erlangt Übersicht im Labyrinth, fängt an, die Bestie zu beherrschen.
Wie bei »Link’s Awakening« ist auch hier das Entdecken mein Antrieb: Ich will Lordran jedes Geheimnis abtrotzen, jede Nische erforschen. Doch das ist keine leichte Aufgabe. Nicht nur die Monster versuchen, mich aufzuhalten. Es ist die Welt an sich, die sich gegen ihre Erschließung wehrt. Es gibt ganze Regionen, die man verpasst, wenn man nicht aufmerksam ist. Leicht führt Lordran seine Herausforderer auf Irrwege, an Orte mit Gegnern, die noch viel zu mächtig sind. Nur wer die verwinkelten Ruinen genau erforscht, kann Abkürzungen öffnen, die einen nach dem Scheitern schnell zurück an den Ort des Geschehens bringen.
Denn scheitern wird man. Ein unbedachter Schritt und man löst eine tödliche Falle aus oder läuft in einen Hinterhalt. Einmal nur zu gierig geworden und das gerade noch bezwungen scheinende Ungetüm bringt einen um den sicher geglaubten Sieg. Das Spiel bestraft unbarmherzig jeden Fehler, jede Unkonzentriertheit, jedes vorschnelle Handeln.
Das alles macht den Reiz aus. In »Dark Souls« müssen alle Fortschritte erkämpft und zahllose Rückschläge erduldet werden. Das Spiel interessiert sich nicht für mich, für mein Scheitern, oder ob ich etwas verpasse. Es wirft mich in seine Welt und überlasst es mir, sich darin zurecht zu finden, mich zu orientieren und Stück für Stück den Schleier zu lüften. Diese Maxime zieht sich durch das gesamte Spieldesign und es ist diese Kompromisslosigkeit, die »Dark Souls« zu Chefentwickler Hidetaka Miyazakis Magnum Opus machen. Lordran ist mehr als ein Freizeitpark, der sich der Machtphantasie des Spielers beugen muss. Belohnung für die Mühsal ist die ultimative Befriedigung, wenn eine unbezwingbar scheinende Hürde schlussendlich doch überwunden und der Welt staunend ein weiteres Geheimnis entrissen wird.
Schön hässlich: Dark Souls Remastered in 1080p
Nun also »Dark Souls Remastered«. Die Grafik war bereits 2011 nicht preisverdächtig, 2018 wirkt sie trotz FullHD- und sogar 4K-Auflösung und flimmerfreien 60 FPS vollkommen antiquiert. Grafischen Verbesserungen, etwa bei der Beleuchtung oder bei einigen Lichteffekten, muss man mit der Lupe suchen. Dennoch dauert es lediglich 10 Minuten, bis die Faszination zurück ist. Frisch aus dem Asyl der Untoten entkommen, nach den ersten Schritten am Feuerband-Schrein, hat mich »Dark Souls Remastered« bereits fest in seinem Griff.
»Dark Souls« ist augenöffnend. Wie zahlreiche Nachfolger und Nachahmer beweisen, ist es zudem eines der einflussreichsten Spiele der 2010er Jahre, das auch 2018 in der »Dark Souls Remastered«-Variante nichts von seinem Reiz verliert. Wer »Dark Souls« bereits besitzt, muss »Dark Souls Remastered« nicht zwingend kaufen, dafür hat sich zu wenig geändert. Wenn man sich dennoch dafür entscheidet, erhält man die bis heute beste Variante des Spiels, mit scharfer, flimmer- und ruckelfreier Grafik und dem Komfort, es auf aktuellen Konsolen spielen zu können. Auch für Onlinespieler hat sich etwas getan: Künftig können sechs statt vier Spieler gleichzeitig in einer Spielwelt vorhanden sein, sich unterstützen oder gegenseitig überfallen. Wer »Dark Souls« bislang noch nicht gespielt hat, der erhält mit »Dark Souls Remastered« den gesuchten Anlass, dieses Meisterwerk endlich nachzuholen.
Offenlegung: Das Testmuster zu »Dark Souls Remastered« wurde von Bandai Namco zur Verfügung gestellt.