Zockwork Orange

Fünf gecancelte Spiele von denen ihr vermutlich noch nie gehört habt.

Für viele Fans des Kopfgeldjägers Boba Fett wird es eine Hiobsbotschaft gewesen sein, als Disney letzte Woche das zuvor bereits angehaltene Projekt »Star Wars 1313« komplett abstieß und ihm damit ziemlich sicher den letzten Sargnagel verpasst hat. Ein Schicksal, das viele Spiele im Laufe der noch kurzen Geschichte unseres Lieblingsmediums ereilt hat. Dank der tollen Erfindung dieses ominösen Internets ist es aber relativ einfach doch einen kurzen Blick darauf zu erhaschen, was hätte sein können. Hier sind fünf Spiele in chronologischer Reihenfolge, die nie ein offizielles Release geschafft haben und von denen ihr vermutlich noch nie etwas gehört habt.

5. Sunman (NES)

Den Entwickler und Publisher Sunsoft dürfte man am ehesten für den hier zu Lande als Mystic Quest (GameBoy) bekannten ersten Ableger der Final Fantasy-Reihe kennen. Heute entwickelt man dort nur noch Virtual Console Titel, doch Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger brachten die Japaner auch einige von DC lizensierte Batman-Spiele für diverse Plattformen auf den Markt. Ihr erinnert euch? Der von EIM für Sunsoft entwickelte Sidescroller »Sunman« soll diesen Spielen ziemlich ähnlich sein und sowohl die verräterische Schrift des Titelbildschirms, als auch Aussehen und Fähigkeiten des Titelhelden lassen darauf schließen, dass Sunman ursprünglich als ein Superman-Spiel geplant war, das jedoch nie offiziell angekündigt wurde.

Dank einiger Prototyp-Versionen, die es über Sammler dann doch an die Öffentlichkeit schafften, gelang es den Betreibern der Seite »The Lost Levels« diese These auch zu untermauern, in dem sie Sunman mit dem für den Sega Genesis erschienenen Superman (ebenfalls von Sunsoft) verglichen und einige Gemeinsamkeiten feststellten. Darüber hinaus schienen beide Spiele stark vom Superman Arcade-Automaten inspiriert zu sein, den Taito bereits 1988 auf den Markt brachte. Das (vermutlich) für 1992 angedachte Release jedoch – so spekuliert der Autor von The Lost Levels – mag der Grund sein warum der vermeintliche Superman-Titel nie erschien: Erstens näherte sich das NES mit dem Erscheinen eines Nachfolgers dem Ende seiner Lebensspanne, zweitens mag die kurze Entwicklungszeit (1991 bis 1992) nicht ausgereicht haben, die nötigen Lizenzen von DC zu erwerben. Dank des Fundes von „The Lost Levels“ erschien immerhin eine unlizensierte Emulator-Version, so dass sich auf YouTube immerhin ein paar Gameplay-Videos finden lassen.

4. Time Diver:Eon Man (NES)

Kurios ist auch das Schicksal von »Time Diver: Eon Man« (Taito), denn der ebenfalls für den NES geplante 2D-Action-Sidescroller war bereits komplett fertig und sogar mit einem vier-seitigen Strategy-Guide in der Nintendo Power beworben, schaffte es aber nie offiziell in die Ladenregale. Die Gründe dafür sind unbekannt, doch spielte hier vermutlich auch der Erfolg des bereits erschienenen Super Nintendo eine Rolle. Autor Erebus von der nicht mehr verfügbaren Seite ErrorMacro.com (Quelle) formulierte es wie folgt:

By that point, even new games for the system looked old, and thus what came out had to be something special if it hoped to draw attention away from the next generation. It had to offer something new and exciting. It had to be fresh and original. In other words, it needed to not be Time Diver: Eon Man.

Time Diver spielt auf einer von Kriminalität befreiten Erde, 60 Jahre in der Zukunft. Dieser Zustand wurde mit der Erfindung des Clear Systems durch den Wissenschaftler Kane Nelson, erreicht, der – ach siehe da, voll das Genie! – auch nebenbei eine Möglichkeit für Zeitreisen erfand. Doof nur, dass dieser Status Quo nun von der Organisation Romedrux angegriffen wird, die es sich zur Aufgabe gemacht hat eine erneute Kriminalitätswelle auf die Menschheit los zulassen und die Erfindung des Clear System verhindern, in dem sie Nelson in der Vergangenheit umbringen. Doch da kommt Dan Nelson, der Sohn des Erfinders, ins Spiel. Von seinem Vater in die Vergangenheit gesandt, soll er sich den von Romedrux geplanten Verbrechen entgegenstellen und… Moment, hätten die nicht eigentlich von vornherein durch Clear System verhindert… ach egal.

Nun, so bescheuert sich die Story anhört, das eigentliche Spiel sieht in der Retrospektive gar nicht mal verkehrt aus und wieder ein mal haben wir es vermutlich Bootleg-Freunden zu verdanken, dass eine spielbare ROM-Version des für 1993 angedachten Titels existiert. Der Wikipedia zu Folge, schaffte es Time Diver sogar unter dem Namen »Avenger« auf den japanischen Markt, wobei auch hier unbekannt ist, ob der in dieser Version angegebene Publisher »Nitra« tatsächlich die Rechte besaß oder ob es sich ebenfalls um ein unlizensiertes Bootleg handelt.

3. Fireteam Rogue (Sega Genesis/SNES)

Mein persönliches Highlight dieser Liste ist »Fireteam Rogue«. Ein Action-Adventure das zwischen 1994 und 1996 für den Sega Genenis und das SNES geplant war und laut Pressemeldungen mit 100 Stunden Spielzeit, detailreichen Charakteren und riesigen Leveln protzen wollte. Obwohl schon damals nicht der hübscheste Titel, gab man sich alle Mühe einen riesigen Hype zu erzeugen und so verschlang die Werbung einen großen Teil des verfügbaren Budgets, das an anderer Stelle wohl dringender benötigt worden wäre. Es gab eine Werbe-Roadshow mit speziell für das Spiel erschaffenen 3D-Hologrammen, ein Comic wurde produziert und selbst über ein TV-Serie wurde verhandelt.

Der geplante Inhalt des eigentlichen Spiels musste dem Hype gerecht werden und war so umfangreich, dass, statt den Titel sinnvoll zu kürzen, Entwickler Accolade die Zeit damit verbrachte Kompressionsverfahren für die Unmengen an Daten zu entwickeln, was ihnen wohl letztlich das sprichwörtliche Genick brach.


(Scan aus dem Sega-16.com Forum hochgeladen von Phantar)

Viele Screenshots, eine detailreiche Analyse der geleakten Alpha-Versionen und einige weitere Details finden sich in diesem gut recherchierten Artikel bei SNESCentral.com.

2. Robotech: Crystal Dreams (N64)

Die Weltraumsimulation »Robotech:Crystal Dreams« sollte eigentlich ein Launchtitel für den Nintendo 64 werden und ein riesiges, gerendertes Weltraumareal bieten, dessen Durchquerung von einem zum anderen Ende sechs Monate echter Zeit in Anspruch genommen hätte. Angereichert mit einer komplexen Storyline (basierend auf dem Anime gleichen Namens), einer detailreichen Schiffsimulation und einem Splitscreen-Modus für bis zu vier Spieler, wäre es wohl der feuchte Traum eines jeden SciFi-Nerds geworden, doch führte das ambitionierte Projekt letztlich nicht zu nassen Höschen, sondern den amerikanischen Entwickler GameTek in die Insolvenz. Zehn Programmierer konnten die Arbeit schlicht nicht stemmen und so geriet GameTek erst in Zeit- dann in Geldnot. Nach einem kleinen Abstecher zu Capcom landeten die Rechte dann letzten Endes bei Mattel, die das Projekt im Jahre 2000, fünf Jahre nach der ersten Ankündigung, ganz einstampften. Glenn Plant vom N64 Beta Project hat die ganze Story bereits samt Videomaterial aufbereitet und ist definitiv einen Blick wert:

httpv://www.youtube.com/watch?v=xQI9lYmVH5g

1. Dead Rush (GameCube/PS2/Xbox)

Hier bin ich tatsächlich ein bisschen traurig, denn das Konzept des von Treysearch entwickelten »Dead Rush« liest sich wie eine verdammt spaßige Mischung aus »indiziertes Zombiespiel, ihr wisst schon« und »Grand Theft Auto«: Nach einem heftigen Erdbeben liegt das sonst ruhige Inselstädtchen East Port in Schutt und Asche, Chaos regiert und zu allem Überfluss erheben sich die Toten aus ihren Gräbern. Schwarze Wolken umgeben die Insel und in Panik setzt die Regierung die Insel unter Quarantäne. In der Rolle des erinnerungslosen Helden Jake, sollten die Spieler dann zu Fuß und vor allem aber in verschiedenen Fahrzeugen auf Zombiejagd geschickt werden, während sich Jakes Hintergrundgeschichte nach und nach entfalten würde.

httpv://youtu.be/dwDXzjjVXCc

Frei aufrüstbare Fahrzeuge und ein riesiges Arsenal an Waffen versprachen ein verdammt kurzweiliges und arcade-lastiges Gameplay, das sich von den damals eher trägeren Zombie-Spielen absetzen sollte. Doch schon zwei Monate nach der offiziellen Ankündigung auf der E3 in 2004, wurde das Projekt von Activision für tot erklärt und Ron Doorning (damals CEO Publishing) erklärte: “We gave it an opportunity, but it didn’t meet our standards as a big proposition.” Das Entwicklerteam wurde daraufhin abgezogen und an ein für Activision wichtigeres Projekt gesetzt: Die nächste Ausgabe von »Call Of Duty«!

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