Als Live Streamer erlebt man oft verrückte Sachen, nicht zuletzt da das Wort „Live“ impliziert, dass man zumeist ohne doppelten Boden oder Netz arbeitet. Versagt man z.B. im Laufe eines Games, kann man nicht im Nachhinein alles so zurechtschneiden, dass man selbst eine gute Figur macht. Und auch auf die Zuschauer und Chat Teilnehmer hat man nur mäßigen Einfluss. Man kann Regeln aufstellen, Moderatoren anweisen oder selbst entscheiden, wenn jemand die Grenzen überschritten hat und einen Rauswurf aus deinem eigenen kleinen, exklusiven Club verdient hat.
Für jemanden wie mich, die gerade einmal etwas länger als ein Jahr auf der allseits bekannten Seite Twitch streamt und folglich auch eine noch überschaubare Anzahl an Zuschauern verzeichnen darf, kein allzu schweres Unterfangen. Bisher hielten sich die „Trolle“ und „Hater“ in Grenzen und obwohl die Zahl der Zuschauer langsam aber stetig steigt, hat man das Gefühl meist Zuspruch zu ernten, für das was man tut.
Und das obwohl ich eine Frau bin.
Vorneweg, ich bin keine Feministin. Eigentlich hat mich das Thema bis vor ein, zwei Jahren nicht einmal gejuckt. Für mich gehört das Design weiblicher Figuren in Games schlichtweg zur künstlerischen Freiheit der Entwickler. Ich gehöre zu denen, die D.O.A. gerne in Deutschland zu kaufen bekommen hätten und lehne diese Zensur vollkommen ab.
Dieses ‚obwohl ich eine Frau bin‘-Ding hat einen anderen Ursprung. Besonders am Anfang wurde ich gern und oft auf mein Geschlecht angesprochen und selbst heute ist häufig das erste was ich von männlichen Zuschauern höre, ein Kompliment auf mein Erscheinungsbild. Und das stört mich nicht. Mit Sicherheit nicht. Ich fühle mich geschmeichelt, bedanke mich und fokussiere mich dann wieder auf’s Game. Ganz einfach. Man muss kein Fass aufmachen, wo kein Bier drin ist, oder?
Die unterschwellige Sorge, besonders am Anfang, wegen meines Geschlechts nicht ernst genommen zu werden, war minimal, aber sie war da. Trotzdem war ich nicht überrascht, dass diejenigen die blieben, meist nicht nur wegen des Gender Faktors geblieben sind, sondern weil ich überzeugen konnte. Ob nun durch das Game Play oder einfach weil mich die Zuschauer sympathisch fanden, ist wohl von Squad Mitglied zu Squad Mitglied unterschiedlich. Ich habe das Gefühl ernst genommen zu werden und dass die regelmäßigen Zuschauer wirklich Spaß an diesem Channel haben.
Ok, schön eine Runde bei den Zuschauern eingeschleimt, werden sich jetzt die meisten denken und genervt die Augen verdrehen, aber was zum Teufel hat das ganze nun mit einem Bitch Fight zutun, den der Titel verspricht?
Ganz einfach: auch wenn meine Erfahrungen als noch recht junge Streamerin zum größten Teil wirklich positiv sind, gibt es hier und da kleinere Ausläufer die mir zu denken geben.
Hate, wie es in der Internetcommunity gerne so international verständlich ausgedrückt wird. Auch ich habe schon diverse Hass Mails erhalten, wurde im Chat beleidigt und so weiter und so weiter. Ich rede dabei nicht von vorpubertären Aussagen wie: „Bitch, zeig Möpse! (hier muss anmerken, ich würde mein rechtes Bein dafür geben, einen Hund der Rasse Mops zu besitzen. Die Reaktionen wenn ich den bei solchen Kommentaren in die Kamera halten würde… hach.)“.
Die werden fast immer weggelächelt und mit einem Verweis auf Seiten wie Pornhub und Youporn kommentiert.
Nein, ich rede hier wirklich von Beleidigungen die auf persönlicher Ebene passieren. Aus denen man ablesen kann, dass die Person, die sich die Mühe gegeben hat das in den Chat zu tippen, will dass man verletzt ist. Dass diese Person dein Ego bewusst und gezielt eins reinwürgen will.
Klar, auch hier kann man nicht mehr als kontern. Man darf als Streamer nix persönlich nehmen.
Was seit Beginn aber immer wieder auffiel und mich stutzig werden ließ, war der Fakt, dass 90% dieser ‚Hater‘, jedenfalls in meinem eigenen, ganz persönlichen Fall, andere Frauen sind. Oder jedenfalls behaupten sie seien Mädchen. Die meisten unfreundlichen Mails, bösen Kommentare und Beleidigungen auf persönlicher Ebene, durfte ich mir von weiblichen Zuschauern anhören. Meist auf einem Niveau, dass meine Mama mir verboten hat zu betreten.
Es ist eine ganz persönliche Erfahrungen und leider kenne ich noch zu wenige weibliche Streamer, um zu sagen: Das passiert tatsächlich vielen.
Wenn ich also mal wieder eine wütende Mail einer weiblichen Zuschauerin bekomme, in der ich wüste Anschuldigungen lesen darf, kann ich nicht umhin mir die Frage zu stellen: Wieso? Habe ich etwas an mir, was mich bei Frauen unbeliebter als bei Männern macht? Tu ich etwas, was provoziert? Ja, ich habe Spaß in meinem Stream, aber gerade weil ich dieses Hobby aus genau diesem Grund auch so gerne verfolge: Spaß. Ich bin kein ernster Mensch, ich genieße mein Leben und wenn ich andere zum Lachen bringen kann oder sonst wie unterhalte, macht mir das Spaß.
Manchmal wirkt es fast so, als müssten sich Frauen, um Respekt von anderen Frauen zu bekommen, immer selbst unheimlich ernst nehmen und überdurchschnittlich professionell wirken, während die Männer das Anrecht auf den Klassenclown haben. Männer repräsentieren in ihren Streams doch auch nur sich selbst und nicht ihr gesamtes Geschlecht, oder irre ich mich da? Wieso stellen also gerade Frauen an andere weibliche Gamer den Anspruch, repräsentativ für sie zu sein? Was ist wenn ich das gar nicht will? Wenn ich es einfach nur genieße ich selbst sein zu können? Ein schwieriges Thema. Fast die Hälfte aller sogenannter ‚Gamer‘ soll heutzutage angeblich weiblich sein. Also, warum können sich all diese Mädchen und Frauen nicht einfach selbst repräsentieren? Warum bekomme ich Hassmails in denen es heißt: „Wegen dummen Kühen wie dir, werde ich als Gamerin nicht ernst genommen! Du bist schuld!“?
Ich verstehe es nicht.
Und vielleicht will ich es auch gar nicht verstehen. Ich will einfach nur Spaß an dem haben, was ich tue. So wie ich seit meiner Kindheit Spaß an Games habe. Ich will keine Repräsentantin sein. Ich will ich sein dürfen und niemand anderes.
Als mir vor einigen Tagen eine Bekannte aus Twitter schrieb, sie schaue mir gerade das erste Mal bei einem meiner Streams zu und ich sei Zitat: „Zucker“, habe ich mich geschmeichelt wie schon lange nicht mehr gefühlt, nicht weil meine liebste Squad, die zu einem sehr großen Teil aus männlichen Zuschauern besteht mir nicht schon genug Futter für mein mittlerweile recht molliges Ego gibt, nein. Sondern weil dieses Kompliment von einer anderen Frau kam. Es hat wirklich gut getan.
Erschreckend, nicht?