So, das ist es also – »Batman – Arkham Origins«, der neue Eingang in die Arkham-Reihe und das Prequel zu »Arkham Asylum« und »Arkham City«. Seit ich den ersten Trailer gesehen habe, habe ich mich gefragt wie es wohl wird, schließlich waren die ersten beiden von Rocksteady und jetzt versucht sich ein neues Entwicklerteam an einem Serienteil. Eins kann ich jetzt schon sagen: Ich bin sauer. Ich verstehe nämlich absolut nicht, warum Warner Montreal plötzlich und unverhofft so ein unglaublich rauer Wind seitens der Fachpresse um die Nase weht. Da wird sich in einem großen deutschen Spielemagazin über Kleinigkeiten ausgelassen, etwa nicht genug Ankerpunkte für den Greifhaken, und der gesamte Titel lediglich mit den Worten abgetan, dass „das Spiel für ein paar unterhaltsame Abende“ gut sei. 6/10 von Gamespot, 4/10 von Polygon und alle mit denselben Argumenten: Stadt zu unbelebt, Charaktere zu flach, Story nicht deep genug, Troy Baker und Roger Craig Smith hören sich ja genau so an wie Mark Hamill und Kevin Conroy und überhaupt, iiieehh, alles spielt sich ja „bloß“ wie »Arkham City«. *gasp* WHAT??!
Troy Baker und Roger Craig Smith liefern einen genauso genialen Synchronjob ab wie die beiden englischsprachigen Voice-acting Legenden davor und »Arkham Origins« spielt sich wie der hochgeadelte Vorgänger von 2011. Wie konnte das denn passieren?! Bei keinem anderen Teil einer Serie – keinem »Zelda«, »Dead Space« oder »Call of Duty« – gab es bis jetzt eine so negativ geprägte Reaktion darauf, dass ein Titel sich im Gameplay stark an seinen Vorgängern anlehnt. Vielleicht liegt es daran, dass es ein neues Entwicklerteam ist und sich jeder bahnbrechend neuen, frischen Wind erhofft hat. Vielleicht sehe ich das Spiel auch nur mit sehr anderen Augen, weil ich eben diese Erwartung nicht gehegt habe.
Hier ist eine Beschreibung von »Batman Arkham Origins«, wie ICH es erlebt habe: Bruce Wayne ist hier noch ein verbitterter junger Mann, der erst seit knapp zwei Jahren im urbanen Alptraum Gotham City die Straßen sauber hält, wo die Polizei lediglich wegschaut, die Hände in den Schoß legt und von allen Seiten Bestechungsgelder kassiert. Ihm zur Seite steht lediglich Alfred Pennyworth, sein Butler und Ziehvater. Bruce und Jim Gordon haben sich noch nicht kennen gelernt, während der Mythos von der menschlichen Fledermaus schon länger nur als Geschichte in den Gassen kursiert. Batman hat dem Drogenboss Roman Sionis, aka Black Mask, einmal zu oft die Tour vermasselt und darum werden jetzt schwere Geschütze aufgefahren: Den acht Profikillern Killer Croc, Bane, Copperhead, Deadshot, Death Stroke, Firefly, Shiva und Electrocutioner wird ein Pott von 50 Millionen Dollar versprochen, falls sie den dunklen Ritter in einer Nacht kurz vor Weihnachten ausschalten können. Derjenige der es schafft, räumt die Summe ab und der Rest geht leer aus, was bedeutet, dass die gewaltbereiten Finsterlinge nicht nur gegen Batman kämpfen, sondern auch noch untereinander konkurrieren.
Wie eingangs schon erwähnt, spielt sich »Batman – Arkham Origins« wie ein waschechter Teil der Arkham-Serie. Das Kampfsystem ist leicht zu lernen, aber schwer zu meistern: Mittels einer einzigen Angriffstaste und einer Taste für Gegenangriffe hüpft man von Gegner zu Gegner, teilt Schläge und Tritte aus, setzt Gadgets ein und schaltet Feindesgruppen systematisch aus. Gotham ist dabei etwa doppelt so groß wie die titelgebende Arkham City aus dem zweiten Teil und einer der Hauptkritikpunkte, den viele am Spiel bemängeln.
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Andere Stimmen bemängeln etwa, dass der gesamte Titel nicht mit so vielen Easter Eggs, kleinen Anspielungen und Goodies, gefüllt ist, die zum Erkunden einladen und, dass dies den Titel mitunter lieblos erscheinen lässt. Doch warum und wo sollte es diese Goodies und Anspielungen geben? Nichts von alledem, was in den beiden Vorgängern als gegeben angenommen wird, ist bereits passiert. Alles, was Spieler und Comicfans gleichermaßen aus dem Batman-Kanon kennen, muss erst noch eintreffen und deswegen gibt es nichts, worauf man überhaupt anspielen könnte. Nicht nur Batman sondern auch seine Gegenspieler stehen erst noch am Anfang. Die Akteure müssen die oben genannte Bühne erst noch betreten und in diesem Sinne machen Warner Montreal einen sehr guten Job, denn der Titel hat einen viel ausbalancierteren Mix aus Gameplay und Zwischensequenzen. Das kann man mögen oder auch nicht, aber in seiner Machart ist der Titel sehr viel filmreifer und charakterbasierter, besonders in Momenten zwischen Alfred und Bruce oder Batman und dem Joker. Durchweg gerenderte Cutscenes gab es in den ersten beiden Teilen nämlich fast keine. Statt auf Eastereggs setzen Warner Montreal auf kleine Anspielungen an real existierende Filme und Musik. Es gibt einen sehr ausgedehnten Teil, der etwa an den ersten Teil von »Die Hard« erinnert, Musik inklusive, oder aber kleine, subtile Hints an und Verbeugungen vor den Batman-Filmen von Tim Burton. Dies erreicht das Entwicklerteam allerdings durch den subtilen und wohl platzierten Einsatz von Musikstücken oder Motiven während der Cutscenes oder etwa der Dialoge zwischen Handlangern. Es spielt sich alles auf einer anderen Ebene ab, während es in den Vorgängern physische Objekte zu finden gab, nach denen man aktiv suchen konnte. Das größere Gotham gepaart mit den subtileren Anspielungen und der filmischeren Erzählweise ist ein Drahtseilakt, der dem Team nicht immer ganz gelingen will, da zwischen den Storyakten manchmal doch ein wenig Luft ist. Hier und da hätte ein etwas strafferes Pacing gut getan. Einziges richtiges Manko ist, dass manche Charaktere wie etwa Deadshot im Gesamtbild zu kurz kommen, während z.B. andere Bosskämpfe wie der mit Death Stroke ein absolutes Highlight des Spiels sind. Ich hatte das Gefühl, hier zwei ebenbürtige Meister des Nahkampfes zu beobachten, die sich gegenseitig Paraden, Hechtrollen, Konterattacken und gekonnte Schläge um die Ohren hauen.
Was bleibt im Vergleich zu den Vorgängern? Meiner Meinung nach ein sehr gutes Spiel, wenn auch kein Meisterwerk, das als bahnbrechend in die Gaminggeschichte eingehen wird. Es ist ein tolles Prequel, ein würdiges Arkham-Game, das das Naserümpfen und den starken Gegenwind auf keinen Fall in dieser Form verdient hat. Alle Sprecher machen einen hervorragenden Job, insbesondere der großartige Troy Baker in der englischen Fassung und es kommen endlich mal auch unbekanntere Charaktere wie Firefly zu Wort. Die Grafikengine mag inzwischen ein bisschen betagt wirken, sieht aber immer noch schick und stimmig aus und das Gameplay macht immer noch genauso viel Spaß wie beim ersten mal »Arkham Asylum«. Wer wirklich nach Neuland sucht, kann ja seine Hoffnungen immer noch in den nächsten Rocksteady-Titel legen, der gerüchteweise ebenfalls ein Batmanspiel wird. Ansonsten kann ich den Titel sehr empfehlen, denn er ist sehr viel besser als sein Ruf. Es ist wichtig, seine eigene Sichtweise auf den Titel ein wenig zu verschieben und die trügerisch-subtilen Stiländerungen im Vergleich zu den Vorgängern zu berücksichtigen. Ich habe sehr viel Spaß im weihnachtlichen Gotham City und vielleicht helfen meine Ausführungen euch (wenn ihr bis hier her durchgehalten habt) ja dabei, ein ähnliches Erlebnis zu haben, spätestens wenn keine Gefahr mehr besteht, dass eure Spielstände gefressen werden.