Seit ich auf der gamescom die Präsentation von »Hitman« gesehen habe, habe ich auf diesen neuen Teil hingefiebert. Zugegeben, der Titel »Hitman« ist jetzt nicht besonders phantasievoll gewählt, aber wie ein Sprecher von Square Enix damals versicherte, sollte das auf einen komplett neuen Launch der »Hitman«-Reihe hinweisen. „Back to the Roots“ sozusagen. Durch diesen ganzen Hype habe ich mich damals hinreißen lassen, das Spiel vorzubestellen. Anfang Dezember sollte es ja dann soweit sein und ich freute mich schon darauf, an langen Winterabenden mit Agent 47 in abstruse Verkleidungen zu schlüpfen, perfide Fallen auszulegen oder auch nur die Gegend für das perfekte Attentat zu erkunden.
Ende September verkündete Io-Interactive dann aber eine Releaseverschiebung von vier Monaten. So ärgerlich das im ersten Augenblick klang, war mir eine Verschiebung für Qualitätsnachbesserungen allemal lieber, als mich mit einem halbfertigen, verbuggten Spiel herumärgern zu müssen. Im Gegensatz zur Namensfindung bewies man dann allerdings bei den Inhalten der Freigabepakete einiges an Phantasie. Wer sich jetzt schon gefreut hat, im März dann endlich das guten Stück in Händen zu halten, wurde erneut enttäuscht. Lediglich drei Locations wurden für diesen Zeitpunkt angekündigt: Paris, Sapienza und Marrakesch. Immerhin wurden trotzdem sechs Missionen versprochen. Anschließend soll dann jeden Monat eine neue Location mit neuen Attentats-Missionen freigeschaltet werden (Thailand im April, USA im Mai und Japan im Juni).
Begründet wurde dies unter andrem damit, dass man Spielern, die die »Hitman«-Reihe noch nicht kennen, die ersten Missionen mit einem günstigen Preis schmackhaft machen möchte. Dagegen wäre jetzt ja grundsätzlich nichts einzuwenden, aber warum müssen dann die treuen Fans auf die weiteren Locations dann monatelang warten? Da drängt sich doch der Verdacht auf, dass das Spiel keineswegs im März komplett fertig ist, sondern Stück für Stück noch weiter daran gebastelt werden muss. Für mich persönlich war diese Ankündigung auch etwas frustrierend, denn ich spiele gerne ein neues Spiel in einem Rutsch durch und genieße den Flow, der sich dabei einstellt. Wird ein Spiel auf so eine Weise zerstückelt, muss ich mich jedes Mal wieder neu einfinden und wenn es dann gerade wieder richtig Spaß macht, ist die neue Mission bereits wieder zu Enden.
Dann kam aber letzte Woche erneut eine etwas merkwürdig klingende Meldung in der mehrfach versichert wird, wie wichtig es Io-Interactive ist, dem Spieler ein einmaliges und qualitativ hochwertiges Spielerlebnis zu bieten und dass man sich deshalb dazu entschlossen hat, das Spiel noch weiter zu zerhacken, um mir so die Möglichkeit zu bieten, viele verschiedene Episoden zu spielen. Aha. Dies sei ein ganz neuer Ansatz, der dem Spieler völlig neue Möglichkeiten eröffnen soll, wie z.B. Spielstränge, die sich über verschiedene Einzelepisoden und Locations erstrecken (aber habe ich das in „kompletten“ Spielen nicht auch?). Im März werde ich deshalb nur den Prolog und die Location Paris bekommen. Sorry, Io-Interactive, aber hier fehlt für mich jegliches Verständnis. Für mich heißt das im Klartext: das Entwicklerstudio hat sich mit dem Zeitplan und den Inhalten völlig übernommen und sucht jetzt verzweifelt nach einer Möglichkeit, zum Releasetermin irgendetwas anzubieten um die Spielerschaft nicht komplett zu vergrätzen. Nun wird versucht, sich mit dieser krampfhaft zusammengebastelten Story des Episoden-Spiels aus der Affäre zu ziehen. Alle, die so dumm waren, das Spiel vorzubestellen (ja, ich gehöre auch dazu) bekommen statt im Dezember 2015 nun etwas im März 2016 für einen Gegenwert von 15USD. Bis man sich dann das ganze Spiel zusammengestückelt hat, wird dann sicher noch ein halbes Jahr vergehen. Spieler, die auf eine DVD warten, müssen sich bis Ende des Jahres gedulden.
Gleichzeitig wurde angekündigt, dass PS4-Spieler, die vorbestellt hatten, ihr Geld zurückerstattet bekommen. Dies wurde ebenfalls mit dem Wechsel zu einem episodenbasierten Spiel erklärt.
Da drängt sich mir doch aber die Frage auf, warum nur die Spieler der PS4 betroffen sind. Gut, vielleicht fehlt mir hier der Einblick, wie die Kaufabwicklung bei der PS4 funktioniert, aber ich bin mir jetzt selbst nicht mehr ganz sicher, was ich für mein Geld überhaupt bekomme. Darüber schweigt man sich vornehm aus. Habe ich jetzt eine Art Season-Pass vorbestellt und bekomme alle Missionen häppchenweise freigeschaltet? Ein »Hitman«, das nur aus DLCs besteht? Können die einzelnen Episoden dann auch einzeln gespielt werden, oder benötigt man alle vorhergehenden auch? Ich werde es dann sehen.
Ich habe lange genug in einem Softwareunternehmen gearbeitet und kenne die Zeichen einer komplett misslungenen Entwicklungsplanung und die Versuche, eine Story als bahnbrechende Innovation zu verkaufen, um diese Fehlplanung zu vertuschen. Das finde ich extrem schade. Leider lassen sich aber nicht alle Spieler täuschen und der Imageverlust schadet wahrscheinlich mehr, als wenn der Releasetermin gleich um ein paar weitere Monate verschoben worden wäre. Wie man am Beispiel von »The Witcher 3« sieht, kann auch ein viele Monate verspätetes Spiel die Fangemeinde begeistern, wenn es komplett und nahezu fehlerfrei geliefert wird und ein großartiges Spielerlebnis bietet.
Als kleines Trostpflaster können die Vorbesteller von »Hitman« für die PS4 ab dem 12. Februar die Beta spielen, PC-Spieler eine Woche später. Aber halt! Haben die Vorbesteller für die PS4 nicht gerade ihr Geld zurückerstattet bekommen?
Hätte ich »Hitman« vorbestellt, wenn ich von der Zerstückelung gewusst hätte? Sehr wahrscheinlich nicht. Mit Terminverschiebungen kann ich leben, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Aufteilung in Episoden mich lange bei der Stange hält. Trotzdem gebe ich dem Spiel eine Chance, einfach, weil ich die »Hitman«-Reihe so genial finde. Ob sich aber neue Spieler mit dieser Produktpolitik anlocken lassen, halte ich für äußerst fraglich.