Videospiele selbst entwickeln 21

Schon seit geraumer Zeit schwirrt in meinem Kopf die Idee herum, selbst einmal ein Videospiel zu machen. Meist verwarf ich den Gedanken daran aber ziemlich schnell wieder, denn ich bin weder Designer noch Programmierer. Meine Ausbildung qualifiziert mich eher so für kaufmännische, vertriebliche Aufgabenstellungen und Projektmanagement, also mehr so der langweilige Kram (erfolgreiche Firmen kommen übrigens kaum ohne Langweiler wie mich aus). Aber dann bin ich durch Zufall über Werbung für den RPG Maker gestolpert.

Ever dreamed of making your own video games? With RPG Maker, those dreams can become a reality, even if you know nothing about game programming.

Das hört sich doch schon einmal vielversprechend an. Aber wo ein Maker ist, da müssen doch auch noch mehr sein, oder?

GameMaker 8.1 Lite
GameMaker 8.1 Lite

Und so ist es auch. Ich habe mal ein wenig recherchiert und dabei so viele Maker gefunden, dass ich fast den Überblick verloren hätte. Und wer jetzt meint, mit diesen Baukasten-Klickiklicki-Editoren kann man eh nix vernünftiges zutage bringen, der irrt. Ich war überrascht, wie viele iOS- und sogar XBL-Titel ihren Ursprung in diesen Editoren haben (z.B. Spelunky oder Canabalt). Von den vielen erfolgreichen Indie-Titeln gar nicht zu reden. Mir schwebte schon immer was in Richtung 2D vor, also forschte ich hier etwas konkreter.

Ausprobiert habe ich dann schließlich den GameMaker 8.1 Lite. Hierfür musste ich mir zwar Windows auf meinen Mac installieren, aber das ist mit Parallels nicht wirklich ein Problem gewesen. Die Mac-Version von GameMaker hängt hinterher, daher mein Windows-Umweg. Dem GameMaker habe ich deswegen den Vorzug gegeben, da direkt zwei Tutorials im Programm selbst angeboten werden. Und so habe ich einfach mal die beiden Games nach Anleitung gebaut und mit ein wenig Herumprobieren ist es mir sogar gelungen, zwei fertige Spiele in weniger als zwei Tagen zu bauen. Die 8.1er Version ist zwar schon durch die »GameMaker: Studio« Familie abgelöst, zum testen aber besser geeignet (wegen der integrierten Tutorials). Jetzt habe ich mir GameMaker: Studio kostenlos installiert und probiere damit weiter Sachen aus. GameMaker wird mit Einschränkungen kostenlos angeboten und kann gegen Aufpreis um verschiedene Features aufgerüstet werden, wie z.B. Android-, iOS- oder HTML5-Export.

Stencyl 2.2.0
Stencyl 2.2.0

Als zweiten Editor habe ich mir noch Stencyl heraus gepickt. Stencyl gibt es auch für den Mac, was mir natürlich erst einmal entgegen kam. Stencyl scheint sich auf den ersten Blick noch leichter als der GameMaker bedienen zu lassen. Das täuscht aber. Die Einarbeitung in Stencyl gestaltet sich deutlich aufwendiger, obwohl (oder weil) umfangreicher dokumentiert. Bis mein erstes Minispiel in Stencyl fertig war, hat etwas länger gedauert (aber wir reden hier weiterhin nur “von Tagen”). Das lag auch am Tutorial, dass mir ein wenig zu umständlich war. Außerdem war das Tutorial nicht ins Programm integriert, so musste ich entweder zwischen zwei Anwendungen hin und her springen oder es vorher “auf Papier ausdrucken”. Beides nicht das Gelbe vom Ei. Dennoch ist Stencyl eine echte Waffe und die Roadmap (Android- und HTML5-Unterstützung) sieht auch gut aus.

Contruct 2
Contruct 2

Mit diesen wenigen Sätzen werde ich weder GameMaker noch Stencyl gerecht. Bitte schaut euch einfach mal bei Interesse die Websites an, die Tools bieten jede Menge Unterstützung bei der Erstellung Eures ersten eigenen Videospiels. Außerdem gibt es auch Links zu bereits erfolgreich veröffentlichten Spielen.

Unterm Strich habe ich mir so in wenigen Tagen einen ersten Einblick in die Materie des Entwickelns von 2D-Spielen verschaffen können. Das alles ist kein Hexenwerk, sondern kann “spielend” erlernt werden. Es ist übrigens toll, dass man nahezu alle Editoren kostenlos testen kann, man sollte es aber nicht übertreiben. Besser man vergleicht vorher und testet danach nur 2 oder maximal 3 Editoren kurz an. In je weniger Editoren man sich reindenken muss, desto mehr Gehirnschmalz bleibt für die spätere Entwicklung von guten Spielen übrig. Will sagen: alle Editoren gehen ein wenig anders an die Erstellung heran und haben ihre Schwerpunkte unterschiedlich angesiedelt. Deswegen unbedingt zuerst filtern, dann testen.

Anbei der Vollständigkeit halber ein paar Editoren (korrekt nennen die sich übrigens integrierte Entwicklungsumgebungen, kurz: IDE), über die ich bei meiner Recherche gestolpert bin. Falls ich was übersehen haben sollte, ergänze ich die Liste gerne. Einfach anmailen oder in den Kommentaren darauf hinweisen.

2D Editoren
001 Game Creator
Adventure Game Studio
Cocos 2D
Construct
EasyRPG
Eclipse
Ethanon Engine
GameMaker
Game Editor
Haaf’s Game Engine
IG Maker (Ableger v. RPG Maker)
MMORPG Maker XB
Multimedia Fusion
Play Basic
RPG Maker (verschiedene Versionen)
Stencyl
Torque 2D
Visionaire

3D Editoren
Blitz (auch 2D)
CraftStudio
Torque 3D
UDK
Unity

Andere Editoren
App Game Kit (mobile)
Flixel (Flash)
Leadwerks
Ren’Py (visual novel engine)
Twine (Text)

Natürlich kommt man jetzt sofort in Versuchung, eigene Ideen umzusetzen. Das ist dann allerdings schon wieder eine ganz andere Hausnummer. Mein Problem ist hier, dass ich kein Designer bin (das hatte ich glaube ich, weiter oben schon einmal erwähnt). Und es gibt einfach nur sehr wenige gute Spiele, die ohne Grafik auskommen. Tatsächlich ist es so, dass ich der untalentierteste Mensch auf Erden bin, wenn es ans Zeichnen, Malen & Co. geht. Da helfen auch die vielen kleinen kostenlosen Helferlein nicht wirklich weiter, die ich bei meinen Recherchen entdeckt habe. Glücklicherweise stellen viele talentierte Menschen ihre Grafiken ins Netz, teils gegen Kohle, oft aber auch umsonst kostenlos.

Tiled Map Editor 0.9.0
Tiled Map Editor 0.9.0

An Resources mangelt es hier tatsächlich nicht, wirft man z.B. einen Blick in das GameMaker-Forum: Graphic Resources. Das rettet solch untalentierten Menschen wie mir dann den Arsch. Eine kleine Auswahl an grafischen Helferlein:

Tiled (Map Editor)
Blender (3D Creation Software)
Inkscape (Vektorgrafikeditor)
Pencil (2D Animation Software)
GraphicsGale (Animation Graphics Editor)

Ressources
OpenGameArt

Beim Thema Sound ist es ähnlich, obwohl ich deutlich musikalischer bin als die Mehrzahl der Menschheit (die Behauptung stelle ich hier einfach mal auf). Aber Musizieren ist eben nicht gleich Kreieren. Mit Apples »Garageband« oder Audacity basteln talentierte Menschen im Handumdrehen Musik, freie Resources gibt es aber auch hier zu Hauf im Netz. Üben kann jeder mal mit iNudge.

Editor: check. Grafik: check. Musik: check.

Fehlt nur noch die zündende Idee für ein gutes Game. Nur noch? Soso. Beispiel gefällig? Denkt euch eine tolle Story für ein Spiel aus und googelt diese dann. Meine höchst kreative Idee wurde bereits dreimal als Videospiel umgesetzt. Einmal sogar von »Daedalic«. Das bedeutet, dass ich a) tolle Ideen habe und b) schon ein wenig mehr als nur eine gute Idee liefern muss, um erfolgreich zu sein.

SketchBook Express
SketchBook Express

Hier gibt es unterschiedliche bzw. sogar sich widersprechende Empfehlungen im Netz. Natürlich habe ich diese Idee von einem wahnsinnig witzigen und interessanten Adventure im Kopf. Aber wie realistisch ist es, dass ich meinen AAA-Titel als allererstes Projekt erfolgreich zum Abschluss bringe? Okay, ich könnte ein Team bilden (toll …), aber interessanter finde ich den Ansatz, erstmal klein einzusteigen. Ein wenig mit den Tools herum spielen. Spielemechanik lernen, Ausprobieren, Kopieren, Verändern, kreativ sein eben. Und wenn man erst einmal mehrere kleine Projekte gemeistert hat, dann vielleicht der AAA-Titel? Die kleine Seite You Can Make Video Games von Richard Perrin motiviert euch vielleicht, es selbst einmal auszuprobieren.

Ein Videospiel selbst zu bauen ist ein Kinderspiel mit diesen Editoren. Aber ein originelles, ansprechendes und fesselndes Spiel zu kreieren, das ist die Herausforderung. Wer ein wenig im Bereich Indie unterwegs ist, der weiss wie viele Menschen sich dort tummeln und selbst Ideen verwirklichen. Und wenn ich früher über so manchen Indie-Titel nur kopfschüttelnd müde gelächelt habe, so sehe ich sie nach meinen ersten eigenen Versuchen heute in einem ganz anderen Licht. Hier passiert noch echte Innovation!

Es geht mir nicht um den Erfolg. Mir fehlt beim ganzen Gamen einfach ein wenig die Kreativität. Und mit den Makern hier kann ich mich mal so richtig austoben. Und wer weiß, vielleicht stelle ich euch hier in ein paar Jahren mein erstes selbst entwickeltes Adventure vor?

The only way to achieve your dreams is to continue to pursue them.
Accept that they and you will change over time.
Pursuit.
Commander Hadfield

Oder ich nehme spontan am nächsten Ludum Dare teil?!

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Mit-Gründer von Zockwork Orange und fast schon zu alt und tatterig um Videospiele zu spielen. Dafür ist er aber schon von Anbeginn dabei und kennt und liebt (fast) jedes Spiel.

21 Comments

  1. Tolle Einführung!

    Wirklich schade finde ich, dass du von Construct 2 zwar einen Screenshot zeigst, aber auf das Programm selber gar nicht eingehst. Denn mit kaum einem Tool kann man so schnell Ergebnisse erzielen, wie mit Construct 2. Durch das Behaviour-System klickt man im wahrsten Sinne des Wortes z.B. problemlos ein Jump’n’Run zusammen, in dem man der Spielfigur das Platform-Behaviour gibt. Dadurch lässt sie sich automatisch mit den Cursortasten steuern. Ähnliches gibt es z.B. Topdown-Games (8-Wege-Steuerung) oder Fahrzeuge, alles schön im Drag’n’Drop-Verfahren.

    Ich selbst benutze sowohl Construct 2 als auch GameMaker:Studio (da besitze ich sogar die komplette Master Edition mit allen Exportern). Mit Construct 2 baue ich meistens einen kleinen Prototypen, das ist je nach Idee an ein oder zwei Nachmittagen erledigt. Wenn mir eine Idee gefällt, wechsle ich aber zu GameMaker: Studio. Das Drag’n’Drop-Verfahren ist bei GM: S nicht so ausführlich, aber durch die Programmiersprache (die ein bißchen an Javascript oder Turbo Pascal erinnert) bin ich wesentlich flexibler.

    Das erste Spiel, das ich tatsächlich veröffentlicht habe, war MInimal Jump. Das hab ich für den letzten Ludum Dare-Wettbewerb im April geschrieben. Gebaut habe ich das in Construct 2. Während der Arbeit kamen mir noch einige weitere Ideen, die ich gerne in einer besseren (und wahrscheinlich kostenpflichtigen) Version umsetzen möchte. Dafür nutze ich dann aus o.g. Gründen GameMaker: Studio.

    Oh, noch etwas zu Resourcen: Eine sehr gute Quelle ist die Website opengamearts.org. Dort findet man kostenlose Grafiken in 2D oder 3D (Sprites, Modelle, Tiles, Waffen, Interfaces, etc.), Musik und Soundeffects. Das schöne ist, dass es keine zusammengeklauten Super Mario-Sprites sind, sondern von Usern selbst erstellte Grafiken. Diese werden zum Teil auch unter CC-Lizenzen veröffentlicht, damit man sie kommerziell nutzen kann.

  2. Super Einführung, vielen Dank! Ich hab’ ja schon mal ein Computerspiel designed und die Grafiken dafür gemacht (unvergessen das Anno 1994 oder ’95 von der SPD in NRW herausgegebene „Leahs Reise durch die Zeit“ mit blühenden Landschaften im Ruhrgebiet …), aber halt null Schnallung, wie man das am Ende zusammenstoppelt (die beiden Coder verständigten sich durch Grunzlaute und der Rest von uns liess sie lieber in Ruhe).
    Werde mir sicher das eine oder andere Tool mal näher ansehen.

  3. @Hamrath: Danke!
    Construct habe ich wirklich nur angetestet und bin nicht wirklich tief eingestiegen.
    Die Ressources habe ich im Artikel verlinkt, auch hierfür vielen Dank!

    @Kiki: Du überrascht mich immer wieder, was Du schon alles gemacht hast?! Sollte ich an der Designer-Hürde scheitern, lasse ich dann die Grafiken für meinen ersten AAA-Titel einfach von Dir erstellen ;-)

  4. Schöne Liste,
    man kann auch die kostenfreie 2(.5) Engine Ethanon hinzufügen (http://ethanonengine.com/).
    Desweiteren:
    -Leadwerks Engine (http://www.leadwerks.com),
    -Ogre 3D (genaugenommen keine richtige Engine, jedoch das Grundgerüst http://www.ogre3d.org/)
    -Flixel (http://flixel.org/)
    -HGE (http://hge.relishgames.com/)
    -jMonkeyEngine (http://jmonkeyengine.org/), mit dem “einfachen” Java geschrieben
    -Cocos2d-x (http://cocos2d-x.org/)
    -FlashPunk (http://www.moddb.com/engines/flashpunk)
    -LÖVE (http://love2d.org/)

    Ich hoffe ich konnte helfen :)

  5. Anna Anthropy gibt auch noch einen Haufen Tipps zum Spielebau in ihrem Buch “Rise of the Videogame Zinesters” – ein paar Vorschläge für Editoren und Planungs-Tools sind auch darunter. Aber das Buch sei sowieso jedem empfohlen, der sich für digitale Spiele interessiert. :)

  6. Sehr sehr schöner Eintrag!

    Um ehrlich zu sein habe ich so fertige Systeme bisher immer ignoriert, weil man ohne Programmierung doch meist eingeschränkt bleibt oder unnötige Workarounds hat. Daran erinnere ich mich noch dank einer Zeit mit dem RPGmaker.

    Die neuen Editoren, die hier vorgestellt werden sehen aber recht interessant aus! Werde mir das alles noch mal genau anschauen :)

  7. Tolle Einführung. Ich hatte damals 2003 herum mein erstes Spiel mit so einem RPG – Maker gemacht. War damals ziemlich tricky, da ich überhaupt nicht malen / zeichnen konnte und das Programm auf chinesisch war, war also eher learning by doing :D

    Vor nicht allzulanger Zeit hatte ich auch wieder Game Maker ausprobiert und im 2D Bereich kann man damit echt verdammt viel machen. War super geflasht von den Spielen von http://www.locomalito.com der macht so oldsql Spiele.

    Falls man noch auf der Suche nach Ressourcen ist, ist reddit auch ein verdammt guter Anlaufpunkt. Da treiben sich oft Pixel Künstler herum die auf der Suche nach Hobby Projekten sind.

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